April 15

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Auf ein Guinness mit Henry Joy McCracken

In Kelly’s Cellars in Belfast plante die revolutionäre Society of United Irishmen den Aufstand gegen die Engländer.

„Hier hat er sich vor den britischen Soldaten versteckt“, sagt die Wirtin und klopft mit der Hand auf den langen Tresen aus dunklem Holz. „Nie im Leben hätten die ihn zusammengekauert hinter dem Schanktisch vermutet. Dieser McCracken, das war ein ganz Tollkühner!“

Kellys Cellars Bar

Der Tresen, hinter dem sich Henry Joy McCracken versteckte

Der 1720 eröffnete Pub in der Bank Street ist ein verstecktes Juwel abseits der Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen. Das beste Guinness der Stadt soll es hier geben. Nur ein einziger Gast sitzt mit seinem Pint und einer Zeitung in der Ecke. Eingerahmte Bilder, Dokumente und Grafiken an den weiß gekalkten Wänden der urigen Kneipe dokumentieren die Geschichte der „Irischen Rebellion“ 1798, die Jahre zuvor in Kelly’s Cellars ihren Anfang nahm. Ab 1791 trafen sich Henry Joy McCracken und seine revolutionäre Society of United Irishmen in der Kneipe und planten den Aufstand. Die Kopie eines Gemäldes zeigt das markante Profil des jungen Revolutionärs. Ein Druck demonstriert ein Treffen der Gruppe.

McCracken wurde in eine der im 18. Jahrhundert bekanntesten protestantischen Industriellenfamilien Belfasts hineingeboren. Die Ursache des späteren Konflikts, den die Engländer „The Troubles“ nannten, hatte 160 Jahre vor der Geburt McCrackens begonnen. Als der irische Adel 1607 fluchtartig die Insel verließ, verteilte die britische Regierung deren Land an englische Protestanten, siedelte diese systematisch in der Provinz Ulster an und nahm den Iren die Bürgerrechte. Zahlreiche britischstämmige Iren waren ebenso wie die katholische Urbevölkerung gegen die britische Fremdherrschaft und für die Wahrung der traditionellen irischen Kultur. Wie der Reedersohn Henry Joy McCracken. Zusammen mit Wolf Tone und anderen Protestanten gründete er 1791 in Belfast die Society of United Irishmen, deren Ziel die Schaffung einer irischen Republik war.

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„Wir haben keine nationale Regierung. Wir werden von Engländern und den Dienern von Engländern regiert, deren Ziel das Interesse eines anderen Landes, deren Mittel die Korruption und deren Stärke die Schwäche Irlands ist“, steht auf einer der Tafeln in dem Nebenraum, in dem die revolutionäre Gruppe ihre geheimen Treffen abhielt. Der Mann, der mit seinem Guinness versteckt hinter einer Zeitung an einem Ecktisch sitzt, schaut auf, als er das Klicken der Kamera hört und hebt eine Augenbraue. „Warum fotografiert diese Verrückte die Geschichte von der Wand ab“, scheint er zu denken.

Der junge Henry trat in die Textilfabrik seiner Familie ein. Getarnt als Geschäftsmann reiste er quer durch das Land, um in anderen Städten Gruppen der Society of United Irishmen aufzubauen. Kaum gegründet, wurde die Society als subversiv eingestuft und von den Briten verboten. Kein Wunder, hatte die Obrigkeit Henry nun im Visier. Nicht immer gelang es ihm mit einem Sprung hinter den Tresen, den britischen Soldaten zu entkommen. Im Oktober 1796 wurde er verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe im berüchtigten Kilmainham Gaol in Dublin verurteilt, wo bereits zahlreiche Gesinnungsgenossen einsaßen. Da er schwer erkrankte, wurde er 14 Monate später auf Kaution freigelassen. In Freiheit, widmete er sich unverzüglich wieder der geplanten Rebellion gegen die Engländer, die am 23. Mai 1798 in Dublin begann und auf weitere Countys übergriff. Der britischen Armee gelang es zwar, die Aufstände zum Teil schnell niederzuschlagen, die Wut der Rebellen richtete sich nun aber gegen wohlhabende Protestanten, was bürgerkriegsähnliche Zustände entfachte. Der Aufstand scheiterte im September. Kämpften Protestanten und Katholiken zunächst noch gemeinsam für ein unabhängiges Irland, führte die Rebellion zu einer Spaltung der Bevölkerung, die ihren Höhepunkt in den „Troubles“ (1969-98) fand.

Henry Joy McCracken wurde nur wenige Wochen nach Beginn der Rebellion verhaftet und am 17. Juli 1798 im Alter von 30 Jahren zum Tod am Galgen verurteilt – am Corn Market, keine 300 Meter von Kelly’s Cellars entfernt. Hätte er seine Kameraden verraten, wäre er lebend davongekommen. Der Tresen, hinter dem sich der Revoluzzer einst versteckte und an dem die Wirtin gerade Flaschen sortiert, ist noch derselbe.

„Ihr müsst unbedingt heute Abend um Neun zur Seisún kommen“, rät sie und erklärt, dass es sich dabei um eine Pub Session handelt, bei der Amateurmusiker traditionellen Irish Folk spielen. Ob sich wohl auch die Ballade von Henry Joy McCracken im Repertoire befindet? „An Ulster man I am proud to be ….“ Am Ende des Tages werde ich es wissen!

Kellys Live Music

Adresse: 30-32 Bank Street, Öffnungszeiten: täglich 11:30-1 Uhr, sonntags 13-24 Uhr. Live Musik (Seisúns) Di, Do, Fr, Sa.

 

 

 

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