Brighton - kosmopolitisch und kreativ

Immer wenn ich in einer Stadt bin, die ich noch nicht kenne, suche ich mir den höchsten Punkt aus, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen. In Brighton ist es das Riesenrad „Brighton Wheel“ an der Strandpromenade und deshalb an diesem Morgen um 10 Uhr unsere erste Anlaufstelle.

Als sich das Rad in Bewegung setzt, ertönt eine Stimme aus einem Lautsprecher in der Gondel, die uns alles Wissenswerte zu Brighton und zur Geschichte des Riesenrades erzählt. Gebaut wurde es in Deutschland für die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010, ein Jahr später wurde es nach Brighton verfrachtet und steht seitdem an der Strandpromenade. Als die Gondel auf 50 Metern ihren höchsten Punkt erreicht hat, bleibt sie kurz stehen und bietet uns einen spektakulären Blick über den Strand auf der einen Seite und die Straßen und Gebäude der Stadt auf der anderen, zu denen wir nun allerhand erfahren. Brighton von obenDas Rad dreht sich in 12 Minuten viermal komplett und als wir aussteigen, würden wir die Fahrt am liebsten noch mal antreten. Neben dem Riesenrad liegt die knapp 530 Meter lange Seebrücke Brighton Pier, deren Ausmaße uns schon aus 50 Metern Höhe ins Auge gestochen waren. Im 19. Jahrhundert Flaniermeile, erinnert sie heute an einen Jahrmarkt. In der Mitte des Piers befinden sich unzählige Fish & Chips Buden, Spielhallen und Tattooläden, entlang des Geländers sonnen sich Einheimische und Touristen in Liegestühlen, im hinteren Teil stehen diverse Karussells und eine Wasserrutsche. Brighton PierObwohl es noch nicht mal halb elf ist, herrscht reger Trubel. Familien mit Kindern sind unterwegs zu den Karussells, Sprachschüler aus aller Welt stellen sich für Selfies in Pose, vor den Fischbuden stehen lange Schlangen, aus den Tattooläden hört man das Summen der Nadeln und durch die Türen der Spielhallen dringt Lärm. In der Luft hängt der Geruch von Fisch & Chips.Wir drängen uns zwischen den Menschenmassen zum Ende des Piers vor, denn hier haben wir einen grandiosen Blick über den Strand, die Seepromenade und das Riesenrad. Das Wasser des Ärmelkanals ist fast so türkis wie in der Karibik.

Royal Pavilion – der britische Taj Mahal

Auf den ersten Blick wirkt der gigantische indisch angehauchte Palast, der in einem Park mitten in der Stadt steht, tatsächlich wie der Taj Mahal.Royal PavillionAuf der lehrreichen Fahrt mit dem Riesenrad haben wir die Geschichte zum Palast bereits erfahren. Der spätere König George IV. ließ den exotischen Palast 1815 als Lustschloss erbauen. George war für seinen extravaganten Lebensstil bekannt. In Brighton verliebte er sich 1784 in die Irin Maria Fitzherbert. Da sie Katholikin war und er bei einer Eheschließung deshalb von der Thronfolge ausgeschlossen worden wäre, heiratete er sie heimlich. Sein Vater bekam es heraus und George musste sich auf Druck scheiden lassen. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, im Laufe der Jahre mit Fitzherbert neun Kinder zu zeugen. Die Affäre soll ein Leben lang angedauert haben und angeblich ließ George zwischen Palast und der Villa seiner Geliebten einen geheimen unterirdischen Tunnel bauen. Soweit der Klatsch.Royal Pavillion 2Als wir den Palast betreten, staune ich über die gigantischen Ausmaße der Räume. Sie sind teilweise so groß, dass man sich darin verlieren könnte. Von innen ist der Palast alles andere als indisch angehaucht. Sämtliche Räume sind im chinesischen Stil ausgestattet mit viel Rot und Gold. Von den Decken hängen die pompösesten Kronleuchter, die ich je gesehen habe. Prunkstück und mein absoluter Lieblingsraum ist der phantasievoll eingerichtete Bankettsaal. In der Mitte des riesigen Raumes steht eine festlich gedeckte Tafel mit wunderschönem chinesischen Porzellan, Kristallgläsern und außergewöhnlichen Kerzenleuchtern. Um den langen Tisch herum gruppieren sich 36 Stühle. Der Kronleuchter, der über dem Tisch hängt wiegt eine Tonne, ist neun Meter lang und befindet in den Klauen eines versilberten Drachens. Leider ist fotografieren im Raum verboten. Während des Ersten Weltkrieges diente der Palast von 1914-1916 als Hospital für indische Soldaten. Wurde er dafür ausgewählt, weil es zumindest von Außen an einen indischen Palast erinnert?

Vietnamesisches Street Food zum Mittagessen 

In Brighton gibt es rund 500 Restaurants, da haben wir die Qual der Wahl. Wir entscheiden uns für das Pho in der Black Lion Street 12, das sämtliche Gerichte aus der traditionellen vietnamesischen Küche auch in der veganen Variante anbietet. Die Karte ist umfangreich und jedes Gericht kostet zwischen 5 und 10 Pfund (7-14 Euro).

Shopping im North Laine Viertel

„Die verrücktesten Läden findest du im North Laine und zwar mehr als 300“, erfahre ich von einer Einheimischen, mit der ich im Pho ins Gespräch gekommen bin. Vom Restaurant bis zum North Laine Viertel sind es zu Fuß nur 15 Minuten. In den kleinen Straßen des Viertels reiht sich ein Laden an den anderen. Es gibt tatsächlich nichts, was man nicht findet: Schuhe, Klamotten und Accessoires aus den letzten vier Jahrzehnten, Bücher, Filme, Schallplatten, Möbel und dazwischen jede Menge kleine Restaurants und ausgefallene Cafés. Wir stöbern im Snooper’s Paradise in Kendington Gardens, einem gigantischen Flohmarkt auf zwei Stockwerken, der einem Labyrinth ähnelt und sich über zwei Hausnummern erstreckt. Immer wenn wir von einem Gang in den nächsten gelangen und denken, dass wir jetzt das Ende des Ladens erreicht haben, tut sich ein neuer Gang auf. Ich finde Mode aus meiner Teenagerzeit, edle Designer-Stücke aus vergangenen Tagen, Spielzeug aus meiner Kindheit und Möbel, die noch aus dem Wohnzimmer meiner Uroma kenne. Wir kaufen nichts, denn wir haben eine Radtour vor uns und möchten vorher nicht unbedingt ins Hotel zurückgehen, um Einkaufstüten abzuladen. Brighton Marina

Radtour entlang der Küste

Wir fahren mit dem Bus Nummer 7 zur Hove Station im Stadtteil Hove und gehen von dort aus zur nahen Ethel Street 86, wo sich der Fahrradverleih Cycle Brighton befindet. Die Tagesrate für das Rad beträgt 15 Pfund (21 Euro). Ausgerüstet mit einer Routenkarte, die es kostenlos dazugibt, radeln wir zur Uferpromenade von Hove und von dort aus auf dem Radweg zum Brighton Pier. Dort wimmelt es von Menschen, keiner schert sich um den Radweg, wir müssen ständig klingeln und Slalom fahren. Richtung Marina wird es etwas ruhiger. Kurz nach der Marina beginnt ein acht Kilometer langer Radweg zwischen Kreidefelsen und Meer. Herrlich, bei strahlendem Sonnenschein, dem Rauschen des Meeres und Möwengekreisch zu radeln. BrightonLinks über uns liegt die Roedean School, ein exklusives Mädchen-Internat, das im Halbjahr umgerechnet 16.000 Euro kostet. In dem malerischen Dörfchen Rottingdean verlassen wir den Radweg und stoppen kurz in einem Gartencafé zur Tea Time. Ein Muss – schließlich befinden wir uns in England! Nach einer Tasse Grüntee radeln wir nach Brighton bzw. Hove und geben unsere Fahrräder zurück.

Preston Manor – so lebten Großgrundbesitzer im 19. Jahrhundert 

Preston Manor

Die Zeit ist knapp. Wir möchten unbedingt noch das Herrenhaus Preston Manor besichtigen, das eines der schönsten Häuser in Brighton aus dem 18. Jahrhundert sein soll, jedoch eher einem Gebäude aus dem 20. Jahrhundert gleicht. Das Haus schließt um 17 Uhr, aber zum Glück liegt es auch in Hove und der Preston Park ist nicht all zu weit vom Fahrradshop entfernt. Das Haus, das der Familie Stanford gehörte, ist seit 1933 ein Museum und mit den Originalmöbeln und Gegenständen der ehemaligen Besitzer ausgestattet. Die Räume sind wunderschön, man hat tatsächlich das Gefühl, als wäre das Haus noch bewohnt. Im Untergeschoss befindet sich die riesige Küche, die mich stark an die Küchenräume der Fernsehserie Downton Abbey erinnert – vor allem die zahlreichen Klingeln entlang der Wand, die jedem einzelnen Raum im Haus zugeordnet sind. Der Angestellte im Museumshop erzählt mir, dass er sich in dem Haus allein unwohl fühlt, da es spukt. Er schwört, dass er aus den oberen Zimmern öfter eine Frau weinen hört. Ich kaufe mir das Preston Manor Buch mit zahlreichen Abbildungen, um mehr über die ehemaligen Bewohner zu erfahren. Wir gehen zu Fuß ins Zentrum zurück und sind eine halbe Stunde später im Hotel, wo wir uns von dem langen Tag erst einmal ausruhen.

Dinner im Terre à Terre

Terre a Terre

Für 19.30 haben wir einen Tisch im preisgekrönten Terre à Terre in der East Street 71 reservieren lassen. Das 1993 eröffnete Restaurant gilt Fest für die Sinne und bestes vegetarisches Restaurant in Großbritannien. Ich kann mich zwischen den vielen Gerichten auf der Karte nicht entscheiden, weshalb mir die Kellnerin als Hauptgericht zu einem Teller rät, auf dem von allem etwas ist. Das dreigängige Menü ist so phantasievoll zubereitet und lecker, dass ich ewig weiter essen könnte.

wai kikaIm Wai Kika Moo Kau (11A Kensington Gardens) gibt es die besten veganen Kuchen und andere Leckereien.

Strassenmusiker BrightonIn Brighton wimmelt es von Straßenmusikern.

„Brighton - kosmopolitisch und kreativ“ ist in ähnlicher Form im Wochenmagazin FORUM (1.4.16) erschienen.

Die Autorin war auf Einladung von VisitBrighton in Brighton.

 

 

 

 

 

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