„Ihr möchtet die Insel umrunden? Na, dann vergesst Eure Wintermäntel nicht, denn hier erlebet Ihr sämtliche Jahreszeiten innerhalb von wenigen Stunden“, sagt die Angestellte in der Autovermietung zu uns und mustert mein ärmelloses Top. Es ist Ende Februar. In der Hauptstadt Funchal, im Süden der Insel, ist es heute Morgen schon sehr warm. Ich bin skeptisch. Madeira ist gerade mal 57 Kilometer lang und 22 Kilometer breit, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Temperaturschwankungen in diesen kurzen Entfernungen so groß sein sollen.
Wir steigen in den Mietwagen und fahren an der Küstenautobahn in östlicher Richtung ins 30 Kilometer entfernte Fischerdorf Caniçal. Hier wurden 1956 die Walfangszenen aus „Moby Dick“ gedreht. Der Ort war einst ein bedeutender Hafen für den Walfang. Zwischen 1940 und 1981 ließen hier 6000 Pottwale ihr Leben. Heute erinnert glücklicherweise nur noch das kleine Walmuseum „Museu da Baleia“ an diese Zeit. In Caniçal ist es deutlich kühler als in Funchal, obwohl es nur eine halbe Autostunde von der Hauptstadt entfernt liegt.
Unser nächstes Ziel ist Santana an der Nordküste. 23 Kilometer sind es bis dorthin. Der Ort ist bekannt für die „Casas de Colmo“, die Madeira-Häuschen mit den strohgedeckten, spitzgiebeligen Dächern, die bis fast auf den Boden hinunter reichen. Was wir sehen sind allerdings nicht die Originalhäuser, die im 15. Jahrhundert von den ersten Siedlern auf Madeira errichtet wurden, sondern Nachbauten. Die Originale sind längst verfallen. Wir betreten eines der Häuschen. Es ist ganz schön eng im Inneren und ich stelle mir vor, wie zusammengepfercht mehrköpfige Familien hier leben mussten. Santana liegt auf einem Hochplateau über dem Meer und es ist sehr kühl und nebelig. Der herbstliche Teil der Insel, denke ich und ziehe meine Strickjacke aus der Tasche.
Portugiesische Freunde haben uns zum Mittagessen das Restaurant in der Quinta do Furão empfohlen. Die Quinta liegt zwei Kilometer außerhalb von Santana oberhalb der Steilküste auf einem Felsplateau inmitten von Weinbergen und Gärten. Steil fällt das Plateau in den smaragdgrünen Atlantik hinab. Unter uns brechen sich die Wellen tosend an den Felsen. Fast gespenstisch tauchen die roten Steinklippen im Nebel auf. An klaren Tagen soll man bis nach Porto hinüber schauen können. Das Restaurant gehört der Madeira Wine Company. Kein Wunder, dass die Weinkarte das ganze Spektrum an Weinen der Insel umfasst. Auf der Karte werden typische Landesspeisen angeboten, wie zum Beispiel der schwarze Degenfisch, aber auch vegetarische Menüs, von denen der Küchenchef mir die vegane Variante zubereitet. Nach dem Essen steht uns der längste und steilste Streckenabschnitt bevor.Wir fahren auf der Küstenautobahn nordwestlich und biegen bei São Vicente ins Landesinnere ab. Das Hochmoor von Paúl da Serra ist unser nächstes Ziel. Es liegt 1.500 Meter hoch. 50 Kilometer sind es bis dorthin. Die Straße ist kurvenreich. Je höher wir kommen, desto nebeliger wird es und desto spärlicher ist die Vegetation. Nur Gräser und Farn wachsen in dem rauen Klima.
Ab und zu überholen wir winterlich eingepackte Wanderer. Auf einem Parkplatz halten wir an und gehen ein Stück zu Fuß weiter. Dorthin, wo man einen Blick auf die Schlucht von Rabacal, auf Wasserfälle und die steile Westküste der Insel hat. Die Landschaft erinnert mich an die schottischen Highlands. Der Wind bläst heftig und es ist so kalt, dass ich mir sehnlichst meinen Wintermantel herbeisehne. Hätte ich ihn doch bloß mitgenommen! Länger als zehn Minuten zum Fotografieren halte ich es in der Kälte nicht aus. Wir sprinten zum Parkplatz zurück, steigen ins Auto und fahren über die Küstenautobahn Richtung Westen.
Nach 30 Minuten erreichen wir Porto Moniz an der Westspitze und befinden uns nun in frühlingshaften Temperaturen. Der kleine Ferienort ist für seine Pools im Vulkangestein bekannt, die vor mehreren tausend Jahren durch vulkanische Aktivitäten entstanden sind. Hier erinnert man sich wieder daran, dass Madeira ja eigentlich der Gipfel eines aus dem Atlantik ragenden Vulkans ist. Gerne würde ich zwischen den Lavafelsen hindurch schwimmen, aber das Wasser ist noch zu kalt.
An der Westküste entlang fahren wir in die 50 Kilometer entfernte Hauptstadt zurück und legen kurz vor Funchal noch einen kurzen Stopp in dem kleinen Städtchen Câmara de Lobos ein - Dank Winston Churchill der bekannteste Fischerort der Insel. Der ehemalige britische Premierminister zog sich regelmäßig nach Madeira zum Malen zurück und verewigte den Ort auf einem Gemälde. Eine Gedenktafel im Ortskern erinnert an diese Begebenheit. Während seiner Madeira-Aufenthalte wohnte Churchill im Reid’s Palace, heute unser letztes Ziel.
Die pastellfarbene Nobelherberge ist ein Klassiker unter den Luxushotels. Kaiserin Sisi sowie viele andere Berühmtheiten haben hier schon logiert. Das Hotel liegt über der Bucht von Funchal inmitten eines subtropischen Gartens. Täglich wird von 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr auf der Terrasse Tee serviert.
Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig um 17 Uhr und tragen zum Glück weder Jeans noch Turnschuhe, denn diese Outfits sind hier ein absolutes No-Go. Der Kellner begleitet uns zu einem der kleinen runden Tische auf der Terrasse, bringt uns Tee in einer Silberkanne und eine Etagere mit Sandwiches, Gebäck, Kuchen und warmen Scones. Mit den vielen Köstlichkeiten, den Blick auf das Meer, die tropischen Gärten und dem alten Song „Heaven“ von Ella Fitzgerald im Hintergrund fühlen wir uns wie in dem Lied genannten Ort!
Tipps
Mietwagen: Ein Mietwagen für 24 Stunden (all inclusive) gibt es bei Sunny Cars schon ab 29 Euro. Am besten schon vorab in Deutschland online buchen.
Museum: In der „Old Blandy Wine Lodge“ erfährt man alles über das Geheimnis des Madeiraweins. Führung auf Deutsch 5,50 Euro.
Essen: Traditionelle Spezialitäten Madeiras im gemütlichen Casa Madeirense (nur wenige Schritte vom Reid’s Palace entfernt). Günstige Preise!
Afternoon-Tea im Reid’s Palace: Da die Tea-Time sehr beliebt ist, empfiehlt sich eine Reservierung vorab. Der Nachmittagstee inkl. Leckereien kostet zwar 25 Euro pro Person, sollte man sich aber unbedingt gönnen!
Ein Muss: Korbschlittenfahrt vom hochgelegenen Villenvorort Monte hinunter nach Funchal.
Sehr treffende Kommentare zu jeder Jahreszeit-Etappe! Alles ausführlich und doch kurz und bündig beschrieben. Dazu noch das Geschenk der Photos einer Kennerin. Anreiz zum Reisen! - Te felicito, Cornelia.- kalais, aus Mar del Plata
beautiful!