Die Südküste Islands fasziniert mit einer dramatischen Küstenlinie, schwarzsandigen Stränden, fauchenden Geysiren, gigantischen Wasserfällen und weiten, schwarzen Lavalandschaften, die einen eindrucksvollen Kontrast zu den gewaltigen weißen Gletschern im Hintergrund bilden.
Regengüsse wälzen sich über den tiefschwarzen Strand von Reynisfjara, hierhin und dorthin, kreuz und quer. Der Regen klatscht mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Er ist unberechenbar und kommt ebenso wie der Wind aus immer neuen Himmelsrichtungen. Mächtige Wellen brechen am Strand. Ich flüchte in Richtung der mit Höhlen durchzogenen Klippen.
Nicht weit vom Strand ragen die imposanten Basaltfelsen von Reynisdrangar aus dem Meer, bei denen es sich nach einer Legende um verzauberte Trolle handeln soll. Das Wetter in Island ist unberechenbar.
Nur wenige Busminuten später, am Gulggafoss-Wasserfall bei Kirkjubæjarklaustur, zeichnet es sich durch das Fehlen von allem aus: von Regen, von Sonne, von Licht, von Dunkel, von Wolken, von Himmel. Der Tag ist so grau wie die karge Landschaft ringsum. Wasserfälle gibt es auf der Insel zu Hunderten in allen Formen und Größen. Der Gulggafoss ist mit 45 Metern Höhe einer der kleineren Fälle.
Der Kleinbus setzt sich Richtung Gullfoss in Bewegung. In der Ferne ragt die Eiskappe des Eyjafjallajökulls in den Himmel. Unter dem Gletscher mit dem unaussprechlichen Namen liegt der Vulkan Eyjafjalla, der bei seinem letzten Ausbruch im Frühjahr 2010 mit seinen gigantischen Aschewolken den Flugverkehr in Europa mehrere Tage lang lahmlegte. Kein anderes Fahrzeug ist weit und breit zu sehen. Kein Wanderer, der unterwegs ist. Fast fühlt es sich an, als befände man sich am Ende der Welt. „Über 90 Prozent der Gesamtbevölkerung der Insel lebt in Städten, mehr als die Hälfte der Einwohner im Großraum Reykjavik“, erklärt der Journalist und Buchautor Arthúr Bollason, der für uns als Tourguide fungiert.
Mit drei Einwohnern pro Quadratkilometern ist Island das am dünnsten besiedelte Land Europas. Nur noch wenige Menschen wohnen auf dem abgelegenen Land, denn die raue Natur und die Lavawüsten bieten keine günstigen Bedingungen für die Landwirtschaft. Nur ein Prozent der Vulkaninsel ist kultiviert und wird für den Anbau von Getreide und anderen Feldfrüchten genutzt. Wieder regnet es. Der Himmel ist dunkelgrau, beinah schwarz. So, wie die schaurig schöne Lavalandschaft, die am Fenster vorbeizieht. Unvermittelt muss ich an die Krimis von Arnaldur Indriðason denken. Schaffen Klima, Landschaft und Einsamkeit diese schwermütige Grundstimmung, die er seinen Werken verpasst?
Die fast 1500 Meter hohe Hekla kommt in Sicht, die zu den drei aktivsten Vulkanen der Insel gehört. Aufgrund ihrer verheerenden Ausbrüche galt sie bis ins 18. Jahrhundert als Tor zur Hölle. „Einer Sage nach versprach Saemundur der Gelehrte einst einer Hexe in Sachsen die Ehe, hielt sein Versprechen jedoch nicht ein. Um sich zu rächen schickte die Hexe ihm ein vergoldetes Kästchen nach Island. Da Saemundur aber die Absicht der Hexe ahnte, ritt er mit dem Kästchen auf den Gipfel der Hekla und warf es dort in eine Felsspalte, und es heißt, von dort habe das Feuer der Hekla seinen Ursprung“, tönt Arthúrs Stimme aus dem Mikrofon. Der letzte Ausbruch der Vulkandame war im Jahr 2000.
Der Regen will nicht nachlassen. Der Weg vom Parkplatz hinunter zum mächtigen Gullfoss-Wasserfall ist glitschig und eisiger Wind dringt durch sämtliche Kleiderschichten. Mit Getöse und Brausen stürzt das Wasser des Gletscherflusses Hvítá über zwei gewaltige Kaskaden in eine 2,5 Kilometer lange und 70 Meter tiefe Schlucht. Am Ende des Weges befindet sich ein Felsvorsprung, auf der man der oberen Kaskade sehr nahe kommt. Das Tosen der Wassermassen ist hier so laut, dass man kein anderes Geräusch mehr vernimmt. Zwei japanische Touristinnen kämpfen mit ihren Schirmen. Der Wind treibt den Regen in alle Richtungen, der Sprühnebel besorgt den Rest. Dagegen hält kein Schirm stand.
Der Gulfoss liegt zwölf Kilometer entfernt vom Haukadalur-Tal, das für seine heißen Quellen und Geysire bekannt ist. Der Regen hat aufgehört, der Himmel ist plötzlich so blau, als wäre man auf einer Sonneninsel. Auf dem Weg zum Geysirfeld steigen unentwegt heiße Dämpfe aus Erdlöchern in den Himmel auf, die Luft riecht nach Schwefel. Auf angelegten Wegen kann man zwischen den Geysiren und heißen Quellen umherwandern und in den flachen, dampfenden Wasserbecken aus Lavagestein, in denen es blubbert wie in einer Hexenküche, die Aktivität der heißen Quellen beobachten. Neben den Wasserbecken finden sich zahlreiche tiefe Löcher aus denen 100 Grad heißes Wasser an die Oberfläche sprudelt.
Im Tal gibt es etwa dreißig kleinere Geysire und heißen Quellen, wobei der Litli der beliebteste Geysir ist. Er spuckt zwar keine hohe Fontäne, bricht aber zuverlässig alle paar Sekunden aus. Die höchste Fontäne spuckt der etwas weiter entfernte Strokkur. Seine Ausbrüche erfolgen im Abstand von acht bis zehn Minuten und wenn man Glück hat, gleich dreimal kurz hintereinander.
Zwischen den Eruptionen passiert nicht viel, aber mit jedem Blubbern und Zischen im Wasser steigt die Spannung bei den Umstehenden, die mit dem Finger auf dem Auslöser ihrer Kameras darauf warten, dass jeden Moment eine 25 bis 35 Meter hohe Fontäne aus heißem Dampf und Wasser in die Luft geschleudert wird. Im nahe gelegenen Geysir Center informiert eine Multimediashow über die Geologie der Region.
Die Isländer nutzen die geothermische Energie, um Gewächshäuser zu beheizen, in denen Blumen, Gemüse und exotische Früchte wachsen. Eines der schönsten Gewächshäuser, das gleichzeitig als Restaurant fungiert, ist das Fridheimar in Bláskógabyggð, in dem verschiedene Tomatensorten angebaut werden.
In der Küche dreht sich natürlich alles um die aromatische Frucht. Am Büffet steht ein riesiger Topf mit köstlicher Tomatensuppe, in einem Korb liegen mehrere Sorten frisch gebackenen Brotes. Zum Nachtisch gibt es Tomateneis. Im Fridheimar-Shop werden grüne und rote Tomatenmarmeladen, Tomatenschnaps und andere Leckereien aus Tomaten verkauft.
In Zeiten, als Backöfen wenig verbreitet waren, nutzte man in Island die heißen Quellen zum Brotbacken. Heute dient diese Art der Zubereitung eher als Touristenattraktion. Neben der Therme Fontana am See Laugarvatn wird am Ufer täglich ein Brot aus dem Sand gebuddelt, das 24 Stunden zuvor im Topf direkt über einer heißen Quelle vergraben und dort bei 90 bis 100 Grad gebacken wurde. Serviert wird das dunkle, sehr süße Brot im Fontana Café. Vor den großen Fenstern des Cafés ziehen dunkle Wolken vorüber. Das Wetter auf der Insel ändert sich kilometerweise.
„An kalten und regnerischen Tage beschließen wir Isländer den Tag in einem Hot Pot“, erklärt Arthúr. Von denen gibt es auf der Insel aufgrund der vulkanischen Aktivitäten eine beträchtliche Anzahl. Berühmtester Hot Pot ist die Badeanstalt der Blauen Lagune, die umschlossen von Lava auf der Halbinsel Reykjanes liegt. Ursprünglich ein Auffangbecken für die heiße, salzige Lauge, die ein Geothermalkraftwerk aus 2000 Metern Tiefe zutage fördert, ist sie heute ein Badezentrum, dessen milchigblaues, 40 Grad warme Wasser durch seinen Reichtum an Mineralien Heilkraft besitzt.
Die Blaue Lagune eignet sich perfekt für den Auftakt und den Abschluss einer Islandreise, da sie zwischen dem Flughafen in Keflavik und der Hauptstadt Reykjavik liegt. „Wenn der Besucher sich in einen Hot Pot setzt, bekommt er etwas von der isländischen Stimmung mit und kommt leicht ins Gespräch mit den Einheimischen. Wir Isländer sind sehr gesprächsfreudig und neugierig“, sagt Arthúr lachend.
Info: Die Flugzeit nach Reykjavik beträgt 3,5 Stunden. Icelandair bietet günstige Nonstop-Flüge ab Frankfurt und München an. Ab Reykjavik können mehrere Städte in Nordamerika angeflogen werden und ein Stopover in Island bis zu 7 Tage ist ohne Aufpreis möglich.
Die Autorin war auf Einladung von Iceland Air in Island.
Eine fremde und doch faszinierende Natur; und die Inselbewohner leben in Harmonie mit dem was die Natur anbietet. Ich wuerde das gerne erfahren…