Mit ihren malerischen Städtchen, die sich terrassenförmig an steile Felswände schmiegen, gilt die Küste von Amalfi (auf Italienisch la costiera amalfitana) als eine der schönsten der Welt. Für mich ist der 40 Kilometer lange Küstenstreifen die schönste Landschaft Europas … in den Sommermonaten allerdings nur vom Schiff aus gesehen, denn die beiden Hauptorte, Amalfi und Positano, sind von Touristen überlaufen.
Am roten Leuchtturm vorbei nimmt die“Ischia Princess“ am frühen Morgen Kurs auf die Amalfi-Küste. Nach eineinhalb Stunden taucht die Westspitze Capris als teils kahler, teils bewaldeter Felsen vor uns auf.
Kurz nach Capri passieren wir das Naturschutzgebiet Punta Campanella, eine Landzunge aus Kalk, das die Grenze zwischen dem Golf von Neapel und dem Golf von Sorrent darstellt.
Irgendwo auf dem 1228 Hektar großen Gebiet soll der Tempel zu Ehren der Göttin Athena von Odysseus errichtet worden sein, erzählt uns eine Stimme aus dem Lautsprecher. Athena war die Göttin der Seemänner - allerdings nur für die griechischen, die aus ihrer Heimat kommend Richtung Capri und Sizilien fuhren.
Im Golf von Salerno, nur 100 Meter von der Amalfiküste entfernt, liegt die ovale Insel Isca, die nur 270 mal 130 Meter misst. Der neapolitanische Schauspieler und Theaterautor Eduardo de Filippo erwarb die Insel 1948 und errichtete dort eine Sommerresidenz, um in Ruhe schreiben zu können. Nach seinem Tod ging die Insel an seinen Sohn Luca über.
Vor Positano ragt die Inselgruppe „Li Galli“ aus dem Meer. Der Legende nach waren die ersten Bewohner der Inseln die drei Sirenen Parthenope, Leucosia und Liga, weshalb Li Galli auch Sirenuse genannt werden. „Die Inseln sind in Homers Odyssee der Ort, wo Ulysses von den Sirenen verzaubert wurde“, erklärt uns die Stimme aus dem Lautsprecher.
1924 kaufte der russische Choreograph Léonide Massine die drei ineinander gehenden Inseln, die in der Luftansicht die Form eines Delphins haben. Zu seinen Sommergästen zählten zahlreiche berühmte Künstler und Musiker, darunter Picasso und Stravinsky. Späterer Besitzer der Inseln war der legendäre Ballett-Tänzer Rudolf Nurejew.
Wir fahren an Positano vorbei und legen zunächst in Amalfi an. Was vom Schiff aus wie eine in Felsen geschmiegte pastellfarbene Idylle aussah, entpuppt sich beim Landgang als als ein von Touristen überfluteter Ort.
Amerikaner von Kreuzfahrtschiffen, Japaner, Russen und deutsche Rentnergruppen, die mit dem Bus aus Neapel gekommen sind, tummeln sich auf dem Domplatz und dem Corso. Man kann kaum einen Fuß vor den anderen setzen, ohne dass man einen Selfie-Stick vor der Nase hat. Wir flüchten in eine der vielen Seitengassen, wo eine Treppe zu einer weiteren Gasse hinaufführt und befinden und plötzlich vor dem Restaurant La Perla auf der ruhigen Salita Truglio.
Bei Pasta all’Arrabiata lassen wir die Zeit bis zur Weiterfahrt der Ischia Princess verstreichen. Bei nur eineinhalb Stunden Aufenthalt lohnt sich die Besichtigung des Ortes bei diesem Touristenandrang nicht. „Ihr müsst Ende Oktober, Anfang November wiederkommen, wenn die Touristen weg sind - dann könnt ihr in Ruhe die Schönheit des Ortes erkunden“, rät uns der Kellner.
Auf dem Weg zurück zum Schiff machen wir einen Abstecher hinauf zum Dom Sant’Andrea aus dem 10. Jahrhundert, in dessen Krypta die Gebeine des Apostels Andreas, Schutzpatrons von Amalfi, aufbewahrt werden. Von der Krypta sehen wir allerdings nichts, da uns ein Vorhang aus Selfie-Sticks die Sicht versperrt.
Wir sind froh, als wir wieder auf dem Schiff sind, ahnen jedoch, dass Positano wahrscheinlich genauso überlaufen ist wie Amalfi. Als wir an Land gehen, wird unsere Ahnung bei weitem übertroffen.
In Positano leben knapp 4000 Menschen - in den Sommermonaten tummeln sich hier zehnmal so viele, erfahren wir vom Inhaber der Espresso-Bar im Hafen. Das kleine Fischerdorf wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von amerikanischen Soldaten als Kurort genutzt, wenig später kamen auch Engländer und Deutsche und das bis dahin ruhige Fischerdorf verwandelte sich in Nullkommanix in einen mondänen Badeort.
Die Straßen, Seitengassen und die zahlreichen Treppen sind hoffnungslos überfüllt und obwohl es Ende September ist, herrschen noch 38 Grad Hitze. Wieder suchen wir nach einem Fluchtpunkt und finden ihn im wunderschönen Garten des Hotels Palazzo Muratin der Via dei Mulini.
Außer Vogelgezwitscher hört man hier keinen Laut. In den bequemen Sesseln lässt es sich bei frisch gepresstem Orangensaft aushalten, weshalb wir hier bis zur Abfahrt des Schiffes verweilen. Wir wundern uns, dass wir in dieser Oase die einzigen Gäste sind.
Es ist herrlich, mit dem Schiff an der Amalfiküste entlang zu schippern - in Amalfi und Positano von Bord zu gehen macht bei diesen Touristenströmen allerdings keinen Spaß. Wir sind froh, als wir abends wieder im ruhigen Ischia einlaufen. Meine Tipps für Ischia findet ihr übrigens auf meinem „24 Stunden in …“ Blog in der Huffington Post.
INFO: Die Ischia Princess fährt zwischen dem 15. April und dem 30. Oktober jeden Donnerstag und Sonntag zur Amalfi-Küste. Abfahrtzeiten und -orte: Forio 8:00, Lack Ameno 8:10, Casamicciola 8:20, Ischia Porto 8:40.
Weitere Informationen zur Amalfiküste: ENIT, italienische Zentrale für Tourismus.
Die Autorin war privat mit ihrer Familie auf Ischia.