Barcelona ist lebensfroh und aufregend. Bei einem Rundgang kommen Besucher an Gaudí, Miró und Picasso ebenso wenig vorbei wie an der Rambla, dem Kolumbusdenkmal, einem Spaziergang am Meer und dem Hausberg Montjuïc.
„Man kann sagen, was man will, aber eine Straße wie diese gibt es in keiner anderen Stadt der Welt. Da kann man selbst über New York nur lachen“, sagt der in Barcelona geborene Schriftsteller Carlos Ruiz Zafón über die Flaniermeile Las Ramblas. Die von üppigen Platanen gesäumte Promenade verbindet die Plaça Catalunya mit dem Hafen. Die Plaça mit ihrem sternförmigen aus blauen, roten und grauen Fliesen gestalteten Untergrund ist der Dreh- und Angelpunkt im Zentrum Barcelonas, Bindeglied zwischen Alt- und Neustadt.
Die Rambla ist auch an regnerischen Tagen gut besucht
Sie ist idealer Ausgangspunkt für einen Stadtrundgang. Nur wenige Meter trennen sie von der 1,3 Kilometer langen Rambla, dem Herzstück der Altstadt, das sich in mehrere Abschnitte gliedert, von denen jeder seine Besonderheiten hat. Am obersten Teil, der Rambla de Canaletes, steht ein Brunnen. „Wer daraus trinkt, wird immer wieder nach Barcelona zurückkehren“, so der Volksmund. Trinken sollte man das Wasser eher nicht, denn es schmeckt stark nach Chlor. Der folgende Abschnitt, Rambla dels Estudis, wurde nach der früher dort angesiedelten Universität benannt, heute stehen hier Eisverkäufer und Süßwarenkioske. Die Rambla de les Flors gehört den Blumenhändlern, und nur wenige Meter weiter, auf dem Pla de L’Os, fällt ein kreisrundes Mosaik aus Pflastersteinen von Joan Miró ins Auge.
Auf der Rambla dels Caputxins treffen sich Straßenakteure aller Couleur, und auf dem letzten Abschnitt der Promenade, der Rambla de Santa Mònica, wetteifern Souvenirverkäufer mit Kunsthändlern und Porträtmalern. Straßencafés und Kioske mit internationalen Zeitungen, Büchern und Postkarten befinden sich auf jedem Abschnitt der Rambla. Bereits am Morgen herrscht auf der Promenade geschäftiges Treiben. In den Terrassenbars sitzen Einheimische in ihre Zeitung vertieft, Rentner diskutieren lautstark über Politik, Verkäufer bauen ihre Stände mit Blumen, Geschenkartikeln, Keramik, Lederwaren, Schmuck und Vögeln auf, zwei italienische Pantomimen sitzen auf einer Bank und schminken sich gegenseitig, Karikaturisten, Maler und Zeichner warten auf Kundschaft und ein Straßenmusiker spielt auf seiner Geige etwas träge La Paloma. Die Rambla wird zu beiden Seiten von Fahrbahnen flankiert, an denen herrschaftliche Häuser und Paläste stehen. Zu den schönsten gehören das Opernhaus Gran Teatre del Liceu (Rambla 51-59), das im Rahmen einer Führung besucht werden kann, der Palau de la Virreina (Nr. 99) und Palau Moja (Nr. 118). Palau ist das katalanische Wort für Palast.
An der Rambla 89 befindet sich der Mercat de la Boqueria. Die 1840 eröffnete Markthalle gilt als Königin der Märkte – das Angebot ist überwältigend. Auf über 2.500 Quadratmetern präsentieren sich dicht an dicht exotische Früchte, Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte, Brot, Käse, Delikatessen und Tapasstände.
Der Markt öffnet um acht und gehört dann für kurze Zeit den einheimischen Hausfrauen und Gourmetköchen, bevor gegen halb zehn Besucher aus allen Teilen des Erdballs die engen Gänge zwischen den zahllosen Ständen verstopfen, sodass es fast unmöglich ist, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Der schmiedeeiserne Eingang des Marktes ist eines der beliebtesten Fotomotive der Stadt. Den Abschluss der Rambla bildet das Kolumbus-Denkmal, eine 60 Meter hohe Säule, auf deren Spitze der berühmte Seefahrer in Bronze steht und mit dem Finger aufs Meer zeigt. Ein Fahrstuhl im Inneren der Säule fährt hinauf zur Aussichtsplattform, die eine spektakuläre Aussicht in alle Himmelsrichtungen bietet: im Norden auf Las Ramblas, im Osten auf den Alten Hafen und die Strände, im Süden auf den Montjuïc, den Hausberg Barcelonas und im Westen auf das Stadtviertel Eixample mit seinen Modernisme-Bauten.
Blick vom Columbus-Denkmal
Gegenüber der Kolumbussäule liegt der Port Vell (Alte Hafen) mit der wunderschönen Promenade Moll de la Fusta, die sich bis zum Viertel La Barceloneta hin zieht. Hier sind Spaziergänger, Jogger, Radler, Skater und Skateboarder unterwegs. Verliebte sitzen Arm in Arm auf Bänken und schauen aufs Meer.
Strandpromenade
Eine hölzerne Fußgängerbrücke führt zur Moll d’Espanya, wo sich L’Aquarium, eines der größten Aquarien Europas, und die Shopping Mall Maremàgnum mit zahlreichen Läden, Kinos, Bars und Restaurants befinden. Die Mall unterscheidet sich nicht von anderen Einkaufszentren in Europa und ist kein „Must-see.“
Gasse in La Barceloneta
Weitaus interessanter ist das alte Arbeiter- und Fischerviertel La Barceloneta, das Mitte des 18. Jahrhunderts auf einer künstlich angelegten Halbinsel entstand. Bis 1991 war es das Viertel mit den besten Fischbuden der Stadt. Die Buden (Chiringuitos) am Strand wurden abgerissen, da im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1992 Platz für eine neue Strandpromenade geschaffen werden musste. Häuser und Straßen wurden renoviert, La Barceloneta erlebte einen Aufschwung und die Mieten stiegen. Ein Spaziergang durch die langen, engen Sträßchen und Gassen über denen Wäsche hängt lässt erahnen, wie es hier früher einmal war.
Terrasse der Fundació Joan Miró
Von La Barceloneta fährt am Torre de San Sebastián die Hafenseilbahn zum Montjuïc-Hügel hinauf. Im Parc de Montjuïc befindet sich die Fundació Joan Miró, die der Künstler 1972 als Museum für seine Werke gründete. In den Sälen des Gebäudes aus weißem Beton werden Skulpturen, Keramiken und Teppiche aus all seinen Schaffensperioden gezeigt. Auf die Spuren Mirós trifft man überall in Barcelona. Bereits bei Ankunft am Flughafen werden Besucher von einer gigantischen Wandkeramik des Künstlers am Terminal B begrüßt.
Blick vom Montjuïc-Hügel auf die Stadt
Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten auf Barcelonas nur 173 Meter hohem Hausberg, auf dem 1929 die Weltausstellung und 1992 die Olympischen Spiele ausgetragen wurden, zählen der Springbrunnen Font Màgica, der zur EXPO errichtet wurde und dessen Wasserspiele freitags und samstags farbig beleuchtet werden, das Olympiagelände mit dem Olympiastadion und einem Museum, das sich den Spielen von 1992 widmet, die Festung Castell de Montjuïc, das „Museu Nacional d’Art de Catalunya“ mit Werken bekannter katalanischer Künstler und der Friedhof „Cementiri de Montjuïc“, wo Joan Miró 1983 begraben wurde. Zurück nach La Barceloneta geht es zu Fuß. Der Blick von unterwegs auf den Hafen und die Stadt ist einmalig und bietet wunderbare Fotomotive.
Nächster Stopp ist das Picasso-Museum (Museu Picasso) in der Carrer de Montcada im Stadteil La Ribera. Der Künstler, der schon als 14-jähriger die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie La Llotja in Barcelona schaffte, schenkte dem Museum, das sich über mehrere Stadtpaläste erstreckt, eine Reihe seiner frühen Werke, darunter zahlreiche Landschaftsbilder, die blaue Periode und Skizzenbücher aus seiner Kindheit. Picasso, wie man ihn nicht kennt.
Seine erste Ausstellung hatte der damals 19 Jahre alte Künstler im Café und Restaurant „Els 4 Gats“ (Die 4 Katzen) in der nahen Carrer de Montsió. „Der Entwurf der Menükarten stammt übrigens von Picasso“, erklärt der Kellner, der seit 1980 hier arbeitet. An den Wänden hängen Fotos und Gemälde der berühmten Gäste, die hier aßen, tranken, diskutierten und stritten. „Els 4 Gats“ wurde 1897 als Café und Kabarett eröffnet und schloss nur sechs Jahre später wieder. Das Lokal wurde schnell zum Hotspot der Künstler, die leider zu oft anschreiben ließen und selten bezahlten. Die finanzkräftige Kundschaft blieb fern. Das „Els 4 Gats“ geriet in finanzielle Schwierigkeiten und musste schließen. Erst in den späten siebziger Jahren wurde das mittlerweile verfallene Gebäude restauriert und 1978 unter gleichem Namen als Café und Restaurant neu eröffnet. Das ganze Interieur vermittelt eine Fin-de-siécle-Stimmung. „Hat man nicht tatsächlich das Gefühl, als wäre die Zeit um 1900 stehengeblieben und als würde der junge Picasso jeden Moment durch die Tür treten?“, fragt der Kellner einen betagten französischen Gast, der ihm zustimmt.
Palau Güell, Foto: J. Seita
Das Stadtbild der katalanischen Metropole ist eng mit dem Architekten Antoni Gaudí (1852-1926) verknüpft. Der Hauptvertreter des Modernisme, der spanischen Variante des Jugendstils, wurde durch seinen eigenwilligen Stil von runden, organisch wirkenden Formen berühmt. Die wellenförmigen Fassaden, verschnörkelten Erker und schneckenförmig gewundenen Treppenhäuser der von ihm entworfenen Häuser brachten ihm den Beinamen „Architekt der Fantasie“ ein. „Wer weiß, ob wir das Diplom einem Verrückten oder einem Genie gegeben haben – nur die Zeit wird es uns sagen“, meinte der Direktor der Architekturschule bei Gaudís Abschluss 1878. Noch im selben Jahr lernte der junge Architekt den Großindustriellen Eusebi Güell kennen, für den er mehrere Gebäude realisierte. Eines der schönsten ist das Avantgarde-Palais Palau Güell in der Nou de la Rambla 3-5, das Gaudi als Familiensitz für Güell zwischen 1886 und 1888 erbaute. Der mehrstöckige Prachtbau mit unterirdischen Pferdeställen, einem Ein- und Ausfahrtbereich für Kutschwagen im Erdgeschoss, dem 17 Meter hohen Salon mit Wandmalerei und einer Dachterrasse mit 20 kunterbunten keramikverkleideten Schornsteinen ist vom Keller bis zum Dach ein einziges Meisterwerk. Gaudí dekorierte das Palais mit wunderschönen Schmiedearbeiten, Buntglas-, Keramik- und Steinarbeiten. Man verliert sich in den vielen Räumen, von denen keiner dem anderen gleicht. 1985 wurde das Gebäude von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Sagrada Familia, Foto: B. Gagnon
Gaudís größtes Werk, die Basilika Sagrada Família, deren Bau er vierzig Jahre seines Lebens widmete, blieb unvollendet. Auf seinem täglichen Gang zur Baustelle wurde der Architekt von einer Straßenbahn überfahren und starb wenige Tage später. Begraben wurde er in der Krypta der Sagrada Família, an der noch immer gebaut wird. Die Basilika mit den komplexen Verzierungen und den spindelartigen Türmen, die mit Keramikgiebeln gekrönt sind, soll bis 2026, zum 100. Todestag Gaudís, fertig gestellt werden.
Zeit, die Stadttour ausklingen zu lassen. Und nichts wäre dazu geeigneter als ein leckeres katalanisches Essen im Agut in der Gignàs 16, das 1924 als Taverne gegründet wurde und heute zu den besten Restaurants der Stadt zählt.
„Barcelona Head“ von Roy Liechtenstein an der Strandpromenade.
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