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Der Austernkönig von Fanø
Seit die pazifische Auster ihren Weg ins Wattenmeer gefunden hat, ist die kleine dänische Insel Fanø ein Paradies für Gourmets und das Reich von „Oyster King“ Jesper Danneberg Voss. Der ehemalige Personalberater hat Anzug und Krawatte gegen Lederschürze und Gummistiefel getauscht und führt seitdem Besucher zum Austernsammeln durch das Watt.
Die kleine Wattenmeerinsel in Sichtweite der Hafenstadt Esbjerg ist ein Idyll. Reetgedeckte Fachwerkhäuser, enge Gassen, kleine Blumengärten, weiße Sandstrände auf der einen und das Watt auf der anderen Seite. Jesper Danneberg Voss kam nach einem Burnout auf die Insel, fand hier Ruhe, blieb und ist als Oyster King zu einer Marke geworden.
Inselhauptstadt Nordby
Als Neunjähriger zog Jesper mit seinen Eltern von Kopenhagen nach Luxemburg und studierte nach dem Abitur Sport in Saarbrücken. Nach dem Studium wollte er eigentlich professioneller Fußball- trainer werden und hat auch eine zeitlang als solcher in Luxemburg gearbeitet. „Irgendwann wurde das aber zuviel. Fußballtrainer und Familie, das passt nicht so gut zusammen, vor allem wenn man mit einer Frau verheiratet ist, die Fußball nicht mag“, erklärt Jesper. Als er über eine Zeitarbeitsfirma ein Jobangebot bei der Europäischen Kommission in Luxemburg bekam, arbeitete er dort zweieinhalb Jahre im Personalbereich, wurde danach vom Chef der Zeitarbeitsfirma übernommen und hat als Personalberater in verschiedenen Firmen gearbeitet. „Ich hatte einen 16 bis 17 Stunden Tag. Als ich Anfang 40 war meinte mein Arzt, wenn ich 50 werden wollte, müsste ich meine Karriere ändern. In Luxemburg die Karriere zu ändern ist allerdings unmöglich. Da ich Däne bin und ein paar Mal auf Fanø Ferien gemacht hatte, beschlossen meine damalige Frau, unsere beiden Kinder und ich, dorthin umzuziehen. Das war 2007. Ohne Beruf, ohne Perspektive. Ich wollte erst einmal gar nichts machen.“
Der Strand von Fanø Bad
Auf der idyllischen Insel mit 16 Kilometer langen und einem Kilometer breiten Sandstränden fand Jesper die ersehnte Ruhe. Als ihn ein Freund, der Vorstandsvorsitzender im hiesigen Brauhaus war fragte, ob er dort nicht mitarbeiten wollte, sagte er ja. Aus den drei Wochen, die vereinbart waren, sind schließlich drei Jahre geworden, während denen er langsam in die Naturvermittlung hinein gerutscht ist.
Jesper beim Austernsammeln im Watt (Copyright: Fanø Turistbureau)
Um 2008 hörte Jesper, wie darüber gesprochen wurde, dass draußen im Wattenmeer mittlerweile relativ viele Austern seien. „Da ich sie in Luxemburg viel und gerne gegessen habe bin ich raus gegangen, habe ein paar gesammelt, sie zuhause zubereitet und gegessen. Sie schmeckten fantastisch.“ So kam er auf die Idee, Austerntouren anzubieten. Mit kleinen Gruppen ging er ins Watt. Die Teilnehmer sammelten so viele Austern, wie sie tragen konnten. „Zurück am Strand haben wir sie aufgemacht, Zitrone darüber geträufelt, sie roh gegessen und ein Glas Champagner dazu getrunken. Später habe ich die Tour von zwei auf drei Stunden erhöht. Wenn wir voll bepackt zum Strand zurück kamen, habe ich den Grill angezündet. Wir haben die Austern roh gegessen, mariniert oder auf dem Grill zubereitet.“
Auster mit Erdbeeren (Copyright: Fanø Turistbureau)
Mittlerweile dauern die Touren zwischen drei und vier Stunden und finden normalerweise in den Monaten mit R statt. Von Mai bis August sollte man Austern meiden. „Das Wasser darf nicht wärmer als 14 Grad werden, denn sonst besteht das Risiko von blaugrünen Algen und die sind gefährlich für den Menschen.“ Wie die Robbentouren sind die Austerntouren gezeitenabhängig. Die Route im Watt beträgt 1,4 Kilometer pro Strecke. Wer schnell ist, kann auf der Tour bis zu 100 Austern sammeln. „Wenn wir dann zurückkommen, haben wir eineinhalb bis zwei Stunden kulinarisches Austernessen mit Weißwein oder Fanø-Bier vor uns“, sagt Jesper genießerisch. Maximal 50 Personen können an einer Tour teilnehmen, der Durchschnitt liegt bei 15 bis 25.
Austernsammler (Copyright: Fanø Turistbureau)
Die Austern kamen Anfang der 1990er Jahre nach Fanø. Wie sie gekommen sind, dazu gibt es verschiedene Theorien. Jesper glaubt, dass sie mit den großen Schiffen im Ballastwasser über den Pazifik ins Wattenmeer gekommen sind. „Wenn die Schiffe nicht voll beladen sind, pumpt man Ballastwasser in die Tanks. Zurück im Hafen von Esbjerg lässt man das Ballastwasser, in dem sich Austernlarven befinden, ablaufen. Auf diese Weise haben sich die pazifischen Austern im Wattenmeer verbreitet. Warum erst in den 90er Jahren und nicht früher? Davor war das Nordseewasser zu kalt und die Larven konnten nicht überleben.“
Der Name Oyster King ist Jesper beim Austernsammeln eingefallen. „Am Anfang haben die Inselbewohner gelacht als ich gesagt habe, dass ich der Oyster King bin. Sie meinten, ich würde spinnen und nun vollkommen abheben. Mittlerweile sagen sie aber, dass es schlau war, da der Name mir eine Persönlichkeit gibt. Die Leute wissen, wer ich bin. Nicht nur auf der Insel, sondern überall in Dänemark und mittlerweile auch in Deutschland, Luxemburg und Frankreich.“ Vor zwei Jahren schrieb Jesper ein Kochbuch, das 2016 unter dem Titel „The Oyster King Cookbook“ erschienen ist. Neben Wissenswertem zur Auster und wunderschönen Fotografien findet man darin Rezepte von Starköchen aus Luxemburg, Dänemark und Deutschland, aus Restaurants von Fanø im Kapitel „Oyster King and Friends“ sowie etwa 20 Rezepte von Jesper selbst. Die Texte sind auf Dänisch, Deutsch und Englisch.
„Das Kochbuch kam sehr gut an. Es ist, soweit ich weiß, das erste Kochbuch weltweit, in dem es nur um Austern geht. Das begrenzt natürlich die Anzahl von Leuten, die sich dafür interessieren. Aber wer Austern mag oder sich für sie interessiert, ist begeistert“, so Jesper.
Sein Lieblingsort auf der Insel ist dort, wo er seine Austerntouren beginnt. In der Nähe des Hafens, wo er eine kleine Hütte hat. „Da kann ich abends sitzen und nach Esbjerg rüberschauen. Esbjerg ist eine Industriestadt, die tagsüber nicht so schön aussieht. Aber abends, wenn es dunkel ist und die Lichter leuchten, ist der Anblick wunderschön. Und meine Hütte steht an einer Stelle, wo außer mir kein Mensch ist.“
Wolken spiegeln sich in den Prielen am Strand von Fanø Bad
Mehr über Fanø in meinem Reiseführer „Rømø und Fanø“, der ab Mitte Juli im Buchhandel erhältlich ist.