Brescia zelebriert die Oper
Gastbeitrag von Heike Pander
Am 17. September ist es wieder so weit: zum 5. Mal lädt Brescia zum „Festa dell Opera“ – einem Opernspektakel der ganz besonderen Art. Die ganze Stadt ist vom frühen Morgen bis spät abends erfüllt von Klängen aus den beliebtesten italienischen Opern. Hunderte von Künstlern und tausende Zuschauer werden erwartet. Die Stiftung „Fondazione del Teatro Grande di Brescia“ richtet den Event aus.
Auftakt am Teatro Romanum
Kaum ist der neue Tag erwacht, schallt schöne Musik aus antiker Stätte. Im Teatro Romanum erklingen die ersten Töne zum Auftakt für einen musikalischen Leckerbissen: das Festa dell Opera beginnt. Alljährlich im September zeigt sich Brescia, die sonst eher Beschauliche, von einer ganz anderen Seite.
Dann ist die Oper für alle da – ob Jung oder Alt, Arm oder Reich, das Volk feiert mit einem fulminanten Fest die schönste der klangvollen Künste. Offen zeigt sie sich, nicht hinter verschlossenen Türen. Jeder ist willkommen, sogar Hunde sind mit von der Partie. Den ganzen Tag finden Veranstaltungen an den kuriosesten Orten statt: auf Balkonen, Piazzas, im Krankenhaus, Kaufhaus, dem Bus, in Innenhöfen und sogar im Weinberg. Für alle kostenlos sind die Musikereignisse an diesem Tag.
Eine Stadt im Ausnahmezustand
Newcomer, Schulorchester, Chöre genauso wie bekannte Künstler geben sich ein Stell-dich-ein, wenn Brescia die Oper zelebriert. 2015 wurden neben beliebten Klassikern wie Puccini oder Verdi auch Stücke zeitgenössischer Oper dargeboten. Fröhlicher Ausnahmezustand – wohin das Auge blickt herrscht reges Treiben. Die Sonne lacht vom wolkenlosen Himmel. Bei angenehmen Temperaturen drängt sich buntes Volk vorbei an antiken Tempelresten und Renaissancefassaden, durch enge mittelalterliche Gassen und über Piazzas.
Brescia – am besten zu Fuß
Am besten erobert man sich die Stadtmitte zu Fuß. So kommt man fast automatisch an barocken Kirchen, architektonischen Überbleibseln aus der Zeit der französischen Herrschaft und den meisten anderen Sehenswürdigkeiten vorbei. Zwischen Einkäufen, beim Flanieren oder Essen in den einladenden Einkaufsstraßen lauscht man bezaubernder Musik – wo bekommt man derartige Unterhaltung schon geboten? Bis nach Mitternacht dauert das Spektakel. Seinen krönenden Abschluss findet es am Capitolium.
Eine geschichtsträchtige Stadt
Brescia liegt malerisch an sanft auslaufenden Hügeln in der Lombardei Italiens. Zwischen Mailand und Verona bildet es die ideale Ausgangsbasis für Ausflüge in die Region. 20 Autominuten trennen die Stadt vom Gardasee. Venedig erreicht man in weniger als zwei Stunden.
Die Bezirkshauptstadt beherbergt Kunstschätze und architektonische Sehenswürdigkeiten aus fast 3000 Jahren Geschichte. Das meiste konzentriert sich auf das historische Stadtzentrum mit dem antiken römischen Forum. Zu ihm gehören das Capitolium und das römische Teatro. Zusammen mit dem Benediktinerkloster San Sebastiano – Santa Giulia gehört es seit 2011 zur Liste der Weltkulturerbe der UNESCO.
11.000 Kunstwerke und archäologische Fundstücke beherbergt das im Kloster gelegene Museum Santa Giulia. Zudem ist die Stadt die Heimat des Mille Miglia, eines der bedeutendsten Oldtimerrennen weltweit.
Franciacorta – edler Schaumwein
Ein Ausflug lohnt auf jeden Fall ins Umland. Etwas westlich der Stadt liegen an sanften Hügeln die Weinberge der Franciacorta. Dort entsteht eleganter Schaumwein, der dem Champagner inzwischen in nichts nachsteht.
Früher war das Weinbaugebiet am Iseo-See eher für seinen rustikalen Rotwein bekannt. In den 1960er Jahren begannen einige Winzer nach der Methode „Champenoise“ Schaumwein herzustellen. Grundlage dafür sind auch heute noch die Trauben des Chardonnay und Pinot Noir. Da „Champagner“ ein geschützter Markenbegriff ist, nannte man die Herstellungsmethode sowie das Schaumweinprodukt kurzerhand nach der Region „Franciacorta“.
Das Teatro Grande
Zu den bekanntesten Gebäuden Brescias gehört das Teatro Grande. Schon das Foyer begeistert. Es ist reich mit Fresken ausgestattet. Doch das eigentliche Highlight ist der große Innenraum im Empirestil. Es wurde seinerzeit zu Ehren von Napoleon Bonaparte errichtet.
In Italien nannte man ihn „Il Grande“ – deshalb sollte es Il Grande Teatro heißen. Verschnupft strich man das „Il“ aus dem Titel, als Napoleon nicht zur Eröffnung erschien. Hier finden auch heute noch hochkarätige Operninszenierungen statt. Die Bevölkerung nimmt das Festa dell Opera begeistert an. Nach dem Event steigen die Verkäufe für Veranstaltungen im Teatro regelmäßig an.
Oper hautnah
Auch während der Festa baut man auf die Bekanntheit des Teatro. Im letzten Jahr gab es im Foyer eine gekürzte Version von Guiseppe Verdis Oper „La Traviata“. Dicht gedrängt standen die Opernfans, um diesen Höhepunkt in einem der schönsten Theater Oberitaliens zu erleben.
Die Atmosphäre heiter und gelöst, das Publikum in freudiger Erwartung. Das Flügelspiel von Alessandro Trebeschi lässt augenblicklich das Gemurmel verstummen. Die Vorstellung beginnt, anmutig betreten die Darsteller ihre Bühne.
Zeit für Gefühle
Fast in Hautkontakt zum Publikum steigen sie direkt ein in die Geschichte. Violetta (Anna Bordignon) lebt als Kurtisane im Paris des 19. Jahrhunderts. Auf einer Feier in ihrem Haus erleidet sie einen Hustenanfall und zieht sich geschwächt in ein ruhigeres Zimmer zurück. Alfredo (Oreste Cosimo) nutzt diesen Moment und gesteht ihr seine Liebe. Doch sein Vater (Stefano Cianci) hat andere Pläne und macht den Liebenden das Leben schwer. Ein Einsehen hat er erst, als es längst zu spät ist. Anders als in Deutschland wird die Oper hier „gelebt“, schnell wird es emotional – Gänsehaut pur. Das Publikum geht von Anfang an mit. Ganz offen kullern die Tränen – nicht erst zum traurigen Ende, als Violetta tot in die Arme ihres geliebten Alfredo sinkt.
Schöne Musik wohin man kommt
An diesem Tag ist schöne Musik eine stete Begleiterin auf einem Streifzug durch die Stadt. Gesangssolisten, Chöre und Musikgruppen geben ihr Bestes. Auf dem größten innerstädtischen Weinberg Europas erklingt der Gefangenenchor aus Guiseppe Verdis „Nabucco“.
Besonders stolz ist man in Brescia auf die Verbindung zur großen Maria Callas. Zwischen 1950 und 1959 lebte die Operndiva des letzten Jahrhunderts mit ihrem Mann Giovanni Battista Meneghini in Sirmione, das zur Provinz Brescia gehört.
Geschickt macht sich die Stadt die Nähe zur großen Callas für diesen Event zunutze. Ihr Konterfei ist die Ikone für das Marketing und ziert für Tage die Stadt. So lässt sich das Festival auch kaum übersehen. Überall leuchten Plakate von den Wänden, selbst das Opernauto ist beklebt. Eigens für das Großereignis legte man eine Berlucchi Perlwein Sonderedition auf, die gut zum Anlass passt.
Oper auf Schritt und Tritt
Selbst beim Mittagessen in einer kleinen Osteria begegnet man den Sängern – sie tauchen immer wieder an den unterschiedlichsten Orten in der Stadt auf. Gegenüber vom Grande Teatro tun sich an einem Mehrfamilienhaus im obersten Stockwerk die Balkontüren auf. Der lebhafte Fußgängerstrom gerät ins Stocken, gebannt lauscht das Publikum auf der Piazza dem Gesang.
Vom Balkon tönt konzentriert dargeboten die Musik - und unten geht es lebhaft zu. Unter die Stimmen der Sänger mischen sich die Schreie von Säuglingen und Hundekläffen. Niemand nimmt Anstoß daran. Es gehört einfach zum Opernspektakel dazu und tut ihm keinen Abbruch.
Zum Abendessen: Krönendes Finale
Die Sonne taucht die Stadt in goldenes Licht, bevor sie langsam hinter den Dächern verschwindet. Das Publikum, inzwischen hungrig, sucht sich Plätze auf den Terrassen der zahlreichen Trattorias, Osterias, Cafés und Restaurants. Bei zarten Klängen vom Balkon genießt es die Gaumenfreuden vorzüglichen italienischen Essens.
Je nach Standort zieht sich das Essen über den ganzen Abend hin. Besonders begehrt sind die Plätze in der ersten Reihe auf der Brücke direkt vor dem Capitolium am römischen Forum. Glücklich kann sich schätzen, wer rechtzeitig einen dieser Plätze ergattern kann. Hier findet gegen Mitternacht die Abschlussvorstellung statt.
Zu hören sind bei diesem Anlass Höhepunkte aus verschiedenen Opern. Die Akustik ist phantastisch, die Ausleuchtung eindrucksvoll. Zur Krönung des Tages geben die Sänger stimmgewaltig noch einmal alles. Tosender Beifall echot von den Häusern wider. Inzwischen ist es kühl geworden und ungewöhnlich schnell leert sich der Platz.
Die Autorin war auf Einladung des Fremdenverkehrsbüro Brescia vor Ort.
Info:
Transport: Flüge, zum Beispiel Berlin-Tegel – Mailand Linate, Alitalia, Hin- und Rückflug ab € 154.—
Übernachtung: zum Beispiel Hotel Vittoria, direkt im Stadtzentrum in der Nähe der Sehenswürdigkeiten; Adresse: Via X Giornate, 20, 25121 Brescia BS, Italien; Telefon: +39 030 768 7200.
Brescia Information: www.bresciatourism.it
zu Brescia zelebriert:
wunderschöner und gut illustrierter Beitrag in deinem Reisebericht, Cornelia.
Dank sei dir dafür, besonders von einem Liebhaber des bel canto — der in diesem Leben nicht mehr dort mithören kann.
Mit besten Grüßen,
Carlos Haller
A lot of beautiful expression here !