Gibt es irgendeinen Grund, warum man an einem Sonntagmorgen um 5 Uhr bei strömendem Regen aufstehen sollte? Den gibt es. Es ist der legendäre Hamburger Fischmarkt. Er zieht jeden Sonntag tausende Frühaufsteher und Nachtschwärmer an. Rund 700 Händler haben nur ein paar Stunden Zeit, um ihre Waren an den Mann zu bringen. Nachtschwärmer von der Reeperbahn treffen auf Frühaufsteher-Touristen. Chinesen auf Bayern, Peruaner auf Italiener und Hamburger auf Fischbrötchen. Am Sonntagmorgen ist der Fischmarkt Multi-Kulti am Elbufer, ein spannender Ort der Begegnung.
Man hört die Musik schon von weitem. Ein alter Mann dreht zwischen den Marktbuden seinen Leierkasten. Regen tropft auf seine Schiebermütze.Die Töne vermischen sich mit den Rufen der Verkäufer. Einmalig sei die Atmosphäre, finden die bayerischen Touristen, die unter einem beschirmten Tisch stehen und Fischbrötchen essen. „Es ist die gute Stimmung, trotz des Regens, die Musik und das man hier die ganze Nacht durchmachen kann“, sagt einer der Gruppe. „Die lustigen Leut’, in der Früh schon“, fügt einer seiner Freunde hinzu. „Wir sind übers Wochenende in Hamburg und da gehört der Fischmarkt einfach dazu“.
Fisch steht allerdings schon lange nicht mehr im Mittelpunkt des Marktes. Hier wird mit allem gehandelt, was sich verkaufen lässt. Von Trödel, über Obst, Gemüse, Blumen, Backwaren, Süßigkeiten, Käse und Wurst bis hin zu Klamotten, Souvenirs und Kuriosem. Obst gibt es nicht Stück- oder pfundweise, sondern gleich abgepackt zum Mitnehmen im Einkaufskorb.
Vor den Wagen und Buden der Händler sammeln sich Menschentrauben an. Dass ihnen dabei der Regen ins Gesicht klatscht und sie in Pfützen stehen scheint ihnen nichts auszumachen. Mir schon, denn meine Ballerinas stehen mittlerweile unter Wasser und meine Füße sind Eiszapfen.
„Lecker, lecker, deutsche Erdbeeren aus Spanien, heute im Angebot!“ ruft ein Händler und wirft ein paar der Früchte in die Menge. Hier wird vor allem lautstark verkauft. Die Strategie der Verkäufer gleicht einer Auktion. Um die Aufmerksamkeit der Besucher zu erlangen, liefern viele Händler eine echte Show.
Ob Aal-Kai, der „Hilfe, Paparazzi“ schreit, als ich ihm Kamera und Mikrofon entgegenhalte oder der holländische Blumenkönig, es ist mehr als die Ware. Es sind die Verkäufer, die den Fischmarkt auszeichnen. Der Holländer schreit sich seine Händlerseele aus dem Leib. „Oh, guckt mal, was wir da haben, einen Apfelsinenbaum. Jeden Morgen 3,8 Kilo Apfelsinen dran, man frisst sich zu Tode dran! Kostet normal 39,95. Fangen wir mit 30 an, 20, 15, 10. 10 Euro für den Apfelsinenbaum!“ Hier wird nicht nach oben gehandelt, sondern nach unten.
Viele zieht es nach einer langen St.-Pauli-Nacht in die historische Fischauktionshalle. Dort ist es so voll, dass ich mir nur mühsam einen Weg durch die Menge bahnen kann. Dicht gedrängt sitzen Nachtschwärmer und Frühaufsteher an langen Tischen bei Kaffee und Fischbrötchen. Viele sind schon seit fünf Uhr hier. Wer keinen Platz ergattern konnte, steht mit Kaffeebecher oder Bierflasche in der Hand in den Gängen.
Auf der Bühne rockt eine Live-Band und spielt „Summer of 69“ von Bryan Adams. Nach dem Song gehen sie über zu dem alten St. Pauli Klassiker „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Das reißt fast alle vom Hocker. Es wird getanzt, geschunkelt und lautstark mitgesungen. Es ist unmöglich, ein Foto von der Band zu machen. Ich komme nicht durch und will in den ersten Stock hinauf. „Blick auf die Bühne? Ein Tisch oben kostet extra“, erklärt mir die Frau, die mit einer Kasse auf einem kleinen Tisch an der Treppe sitzt. „Ich möchte doch nur ein Foto machen“, bettle ich. „Benutzen Sie die Treppe hinter der Bühne, von dort aus können Sie den Saal fotografieren“, sagt sie. Leider habe ich von dieser Position aus keinen Blick auf die Bühne.
Draußen hat es mittlerweile aufgehört zu regnen. “Nur noch ‘n Schluck Bier, dann geh’ ich nach Hause”, höre ich einen Nachtschwärmer im Vorbeigehen sagen. Die ersten Händler räumen ihre Stände ab. Es ist schon nach neun. Punkt 9.30 Uhr schließt der Fischmarkt. Ich mache mich langsam zur U-Bahnstation auf. Ich bin völlig durchfroren und meine Füße sind nass. Hätte den Fischmarkt aber trotzdem nicht missen wollen!
INFO:
Der Fischmarkt findet immer sonntags statt. Von April bis Oktober 5-9.30 Uhr, November bis März 7-9.30 Uhr.
Adresse: Große Elbstraße 9.
Anfahrt: U3 bis Landungsbrücken oder S1 und S3 bis Reeperbahn.
Mai 12, 2014 um 1:14 nachmittags
Ein schöner Beitrag, dass wäre ja wirklich mal einen frühen Familienausflug wert. Der frühe Vogel fängt den Fisch:) LG Xeniana
Mai 13, 2014 um 7:48 nachmittags
Ja, nix wie hin mit der Familie!
Mai 12, 2014 um 1:41 nachmittags
I very much enjoyed your eloquent description and photos of the Hamburg Fish Market, thank you.
Mai 13, 2014 um 7:48 nachmittags
Glad you liked it.
Mai 12, 2014 um 2:43 nachmittags
Nice pics..
Mai 12, 2014 um 4:46 nachmittags
Deutsche Erdbeeren aus Spanien! - You made my day!! :D
Mai 13, 2014 um 7:47 nachmittags
Man hört auf dem Fischmarkt die tollsten Sprüche.
Mai 13, 2014 um 8:04 nachmittags
Stimmt. Das war schon immer mit das Beste! :D
Mai 13, 2014 um 4:21 vormittags
Wie schön, ich war beim Lesen quasi dabei, mittendrin, hätte die nassen Füße auch liebend gern in Lauf genommen. Liebe Grüße von Doris
Mai 13, 2014 um 7:47 nachmittags
Freut mich. Der Fischmarkt ist wirklich einmalig. Möchte unbedingt noch mal hin, allerdings im Sommer.
Mai 13, 2014 um 4:41 vormittags
Vielen Dank für den tollen Bericht und die schönen Bilder.
Der SuperSafti
Mai 13, 2014 um 7:44 nachmittags
Nichts zu danken!
Mai 20, 2014 um 7:10 nachmittags
Super,da wollte ich schon immer mal hin,danke fürs Mitnehmen.
Mai 21, 2014 um 7:29 vormittags
:)
Juni 10, 2014 um 6:23 vormittags
Jetzt möchte ich mir noch unbedingt Deinen Radiobeitrag dazu anhören.