Die ratternde Hochbahn Chicago Elevated, von den Einwohnern einfach nur „L“ genannt, liefert seit über hundert Jahren den unverkennbaren Sound der Stadt. Sie ist das Wahrzeichen von Downtown Chicago, rattert durch zahlreiche Filmproduktionen und gewährt Erstbesuchern einen hervorragenden Einblick in die Architektur des Loops.
Ratternd fährt die „L“ in der Station Randolph/Wabash ein. Auf den Gleisen liegt ein Mann. Kann sie rechtzeitig abbremsen? Nein, aber eine Angestellte der „L“ stürzt aus ihrem Fahrkartenhäuschen, springt auf die Gleise und zieht den Bewusstlosen gerade noch rechtzeitig zur Seite. Es ist Sandra Bullock in der Komödie „While you were sleeping“.
Im Kultfilm „Blues Brothers“ rattert eine „L“ jedes Mal dann über die Leinwand, wenn Elwood am Fenster seines Mini-Aparrments steht. Die „L“ spielt eine Rolle in Ocean’s Eleven, Risky Business und der Fernsehserie Emergency Room sowie in zahlreichen weiteren Filmen und Fernsehproduktionen. Der Dichter Reginald Gibbons hat ihr mit „Train Above Pedestrians“ sogar ein ganzes Gedicht gewidmet.
Die Blues Brothers und While you were sleeping waren meine ersten Begegnungen mit Chicago und der „L“. Heute gehört die „L“ zu jedem meiner Chicago-Besuche. Erst wenn ich im Sommer spätabends unter den „L“ Stationen durch den fast menschenleeren Loop wandere und das Gequietsche und Geratter höre, bin ich in der Stadt angekommen. Es ist für mich der Sound Chicagos.
Seit 1892 rattert die „L“ von Stahlstelzen getragen in acht Metern Höhe über den Loop, den Hochbahnring, der den historischen Stadtkern wie eine Schleife umschließt und ihm seinen Namen gegeben hat. Sprechen die Chicagoer vom Loop, ist Downtown Chicago gemeint. 92 des 170 Kilometer langen Streckennetzes verlaufen als Hochbahn. An Wochentagen fahren knapp 800.000 Chicagoer und Vorstädter mit der „L“ zur Arbeit.
Einmal mit der „L“ durch das Hochhäuserlabyrinth rund um den Loop und zurück erhalten Chicago-Besucher einen ersten Einblick in die moderne und historische Architektur der Stadt, die zweistöckigen Klappbrücken des Chicago River (oben „L“, unten Autos) und die Straßenschluchten des Loop. Eine Fahrt mit der „L“ ist bisweilen sehr spannend, denn auf manchen Streckenabschnitten rattert sie so nah an Häusern vorbei, dass man einen Blick in die Fenster erhascht. Während meiner „L“-Trips sah ich Paare in Küchen streiten, Banker und Anwälte sich während der Mittagspause in Fitness-Studios abstrampeln, Grillfeten auf Balkonen, Sekretärinnen beim Arbeiten in hypermodernen Büros, Künstler beim Malen, Liebespaare auf Sofas, Tänzerinnen in Ballettschulen und Schüler in Klassenzimmern.
Die acht Linien der „L“ sind durch Farben gekennzeichnet: Red, Blue, Brown, Green, Orange, Purple, Pink und Yellow, wobei die Red Line und die Blue Line den Loop als U-Bahn durchqueren. Die Brown Line fährt rund um den Loop. Anfangs- und Endstation ist am Merchandise Mart, in der Nähe der Franklin Street Bridge. Die Fahrt rund um den Loop dauert etwa 50 Minuten.
INFO: Fahrpläne der “L” finden sich auf der Website der CTA (Chicago Transit Authority).
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