Hartnäckig beharren die Tobagoer darauf, dass es ihre Insel war, die Daniel Dafoe 1719 als Kulisse für die Abenteuer seines Helden diente. Defoe nannte in seinem Roman die Insel zwar nicht bei Namen, aber kleine Hinweise über ihre Größe und Lage (vor der Küste Amerikas, unweit vor der Mündung des Orinoco) trugen dazu bei, dass sich die Legende verfestigte. Es gibt sogar eine, wenn auch schwer zugängliche Höhle, die Besuchern als die „Robinson-Höhle“ vorgestellt wird.
Tobago, die südlichste der kleinen Antillen, bildet zusammen mit dem 30 Kilometer nördlich liegenden Trinidad einen eigenen Staat. Die Insel liegt zwischen der südlichen Karibik und dem Atlantik und nur einen Katzensprung vor der Küste Venezuelas. Vom Flugzeug aus sieht man, wie an der südlichen Spitze der Insel die türkisfarbene Karibik und der dunkelblaue Atlantik zusammentreffen. Wie durch eine unsichtbare Linie wird das Wasser in zwei Farben geteilt.
Die Sonne ist gerade aufgegangen und taucht den Himmel über dem Atlantik in ein blassrotes Licht. Ein Kolibri zwitschert seinen Gutenmorgengruß und leistet mir Gesellschaft. Es ist früh am Morgen und ich sitze mit meiner Tasse Nescafé (anderen Kaffee bekommt man auf Tobago nicht) in der Hängematte auf unserer geräumigen Dachterrasse und schaukle hin und her. Der lange, weiße Sandstrand ist menschenleer und wird sich auch im Laufe des Tages nur mit ein paar Schulkindern füllen, die nach dem Unterricht ihre Schuluniformen abstreifen, in den Sand werfen und sich in die rauen Wellen stürzen. Touristen bevorzugen das wärmere Wasser und die sanfteren Wellen der Karibik, deren Strände auf der Westseite der Insel liegen. Wir haben den Strand fast für uns allein. Man hört nur das Rauschen des Meeres, das Geräusch sich brechender Wellen und sieht weit und breit nichts als Meer, weißen Sand und Kokospalmen. Wir haben das Gefühl, abgeschnitten vom Rest der Welt auf einer unbewohnten Insel zu sein. An den Stränden auf der Karibikseite geht es weitaus lebhafter zu, ganz besonders am Pigeon Point, der in der Hitparade der Traumstrände auf Platz 1 rangiert. Weißer Sand, Wasser, das je nach Licht türkis, grün, aquamarin oder blau erscheint, und Palmen, die sich über sanft plätschernden Wellen biegen. Ein Bilderbuchstrand und das wohl meistfotografierte Traumufer der Karibik. Überfüllt ist der Strand trotzdem nicht. Der Massentourismus hat hier noch nicht Fuß gefasst. Das mag daran liegen, dass Tobago keine Partyinsel ist und die Preise hier weitaus höher sind als anderswo in der Karibik.
Pigeon Point ist der einzige Privatstrand Tobagos. Die Besitzer des zwei Kilometer langen Ressorts sorgen dafür, dass der Sand jeden Morgen von Blättern und Abfällen gereinigt wird. In Sichtweite des Strandes gibt es Restaurants, kleine Geschäfte und Umkleideräume mit Schließfächern. Einer der kleinen Kunst- und Keramikläden gehört Andrea. Sie ist vor 10 Jahren in Tobago hängen geblieben. “Nach einem vierwöchigen Urlaub auf der Insel war mir klar, dass ich hier leben wollte. Ich hatte gerade mein Kunststudium beendet und sowieso keinen Job. Ich flog nach Deutschland zurück, verkaufte alles, lieh mir von meinen Eltern Geld und baute hier meinen kleinen Laden auf. Okay, ganz ohne Bürokratie ging es natürlich nicht, aber das war es mir wert”, erzählt sie. Ich halte öfter ein Schwätzchen mit ihr, wenn wir zum Pigeon Point fahren. Im Unterschied zum Atlantikstrand gibt es dort die höheren Wellen und ich stürze mich gern bäuchlings auf dem Surfbrett in die Wellen. Stundenlang, oft bis zum Sonnenuntergang. Eine der schönsten Badebuchten ist die Great Courland Bay, auch Turtle Beach genannt, da hier jedes Jahr zwischen April und Juni die Meeresschildkröten ihre Eier ablegen und im Sand vergraben. Die sanft geschwungene Bucht ist knapp vier Kilometer lang und meist menschenleer, wie die meisten Buchten auf der Insel. Leider ist weit und breit keine Schildkröte zu sehen als wir durch die Bucht wandern.
Auf Tobago befindet sich das älteste Naturschutzgebiet der Welt: Seit 1764 steht der Regenwald im Gebiet des „Main Ridge Forest Reserve and Creation Site“ unter Naturschutz. Wir machen eine Tagestour mit Fahrer. Als wir aussteigen, drückt er uns Gummistiefel in die Hände. “You cannot walk in sandals through the forrest”, meint er. Die Stiefel sind zu groß und bei der tropischen Hitze sehr unbequem. Missmutig stapfe ich hinter unserem Regenwaldführer her. Es geht über Stock und Stein, bergauf, bergab und in den großen Stiefeln komme ich mehrmals ins Stolpern. Am liebsten würde ich sie ins Gebüsch werfen. Trug Robinson Gummistiefel? Sicher nicht! Wir kommen an den Gold- und Silberwasserfällen vorbei, sehen Papageien, Kolibris, Motmots, Cocoricos, Spechte und andere exotische Vögel sowie kleine Affen, die von Baum zu Baum springen. Der Wald ist einzigartig, aber ich bin froh, als wir zum Auto zurückgehen und ich aus den mittlerweile feuchten Gummistiefeln steigen kann.
Mit dem Speedboat geht es am nächsten Morgen von Grafton Beach in rasanter Fahrt hinaus aufs offene Meer. John, der Bootseigentümer, stoppt das Boot und ruft mit einem Signal nach Delfinen. Er erzählt, dass seine Kinder fast jeden Nachmittag mit einer Delfinfamilie in diesem Gebiet schwimmen. Nach wenigen Minuten taucht ein Delfin neben uns auf und begrüsst John freudig. Kurz darauf ist die ganze Delfinfamilie da, umringt das Boot und vollführt Kunststücke. Als wir weiterfahren, begleiten sie uns noch eine Weile. John ist nach einem Urlaub auf Tobago vor ein paar Jahre kurz entschlossen mit Frau und Kindern von England nach Tobago ausgewandert. Wir entfernen uns immer weiter von der Insel und sehen sie in der Ferne als kleinen grünen Punkt im Wasser.
Tobago, mit gerade mal 50.000 Einwohnern, ist eine bergige, grüne Oase der Ruhe und ein unberührtes Naturparadies – ein Paradies für Individualtouristen, die gerne Urlaub fernab von jeglichem Massentourismus machen. Große Hotelanlagen für Pauschaltouristen findet man hier nicht, dafür aber kleine Hotels und Gästehäuser. Das Leben in den kleinen Fischerdörfern entlang der Küste und der verschlafenen Hauptstadt Scarborough folgt einem geruhsamen Rhythmus, an den wir uns schnell gewöhnen. Stress und Hektik sind hier Fremdwörter.
INFO
Anreise: Flug mit British Airways über London, je nach Saison zwischen 800 und 1200 Euro.
Hotel: Ocean Point Hotel, DZ 69-77 USD, Suite 85-116 USD, E-Mail: oceanpointapts.com
August 11, 2014 at 8:17 nachmittags
Oh ja, Cornelia, welch schöne Erinnerungen! Ich war Anfang der 1990er Jahre auf Trinidad und Tobago. Damals habe ich in den USA studiert und wir hatten Springbreak. Wir waren insgesamt 3 Mädels auf Reisen und hatten viel Spaß!
LG
Sabine
August 11, 2014 at 11:46 nachmittags
Eine sehr liebevolle Reisebeschreibung mit viel macht Lust auf’s Reisen … :)
Februar 16, 2015 at 6:21 nachmittags
Hallo liebe Cornelia,
meine Freundin und ich haben einen Urlaub auf Tobago gebucht und sind nun etwas verängstigt, weil auf mehreren Seiten vor der hohen Kriminalität auf Tobago gewarnt wird. Gerade habe ich deinen Kommentar auf Reisedepechen gelesen und wollte mich erkundigen welche Erfahrungen du dort gemacht habt. Über eine Rückmeldung würden wir uns sehr freuen.
Gruß
Jörg