Mexikanische Busfahrer sind 18 Stunden am Tag im Einsatz, an sieben Tagen der Woche. Sie arbeiten, leben und schlafen im Bus. Freizeit kennen sie nicht, bezahlten Urlaub ebenso wenig, ihre Familien sehen sie nur alle zwei Wochen.
Es ist noch dunkel in der zentralmexikanischen Stadt Guanajuato als Rogelio Carranza zu seiner ersten Fahrt an diesem Tag aufbricht. Seine Schicht beginnt um 5 und endet nachts um 11. Er fährt 18 Stunden täglich, 13 Tage am Stück. Erst dann hat er zwei Tage frei und endlich Zeit für seine Familie. Er geht nach seiner Schicht nicht nach Hause, sondern schläft im Bus, in einem Klappbett im Gang. Rogelio hat zwei Kinder. Einen zweijährigen Sohn und eine siebenjährige Tochter. „Ich sehe meine Kinder viel zu selten“, sagt er. „Wenn ich zwischen den Fahrten am Busbahnhof in Guanajuato eine längere Pause habe, kommt meine Frau manchmal mit den Kindern vorbei, um mir frische Wäsche zu bringen. Ich hätte gerne einen Job mit geregelten Arbeitszeiten, aber des Geldes wegen würde ich auch 24 Stunden fahren, wenn es möglich wäre”.
Der Neununddreißigjährige ist seit 20 Jahren Busfahrer. Seit acht Jahren fährt er für Flecha Amarilla, eine Flotte mit 3.000 Bussen in Zentralmexiko. Das Unternehmen mit Sitz in Léon gehört einer Gruppe von Investoren. Wer einen Bus kauft wird automatisch Investor und Teil der Gruppe.
Rogelio hat keinen bezahlten Urlaub. Auch die beiden freien Tage werden nicht bezahlt. „Wenn ich zwischen zwei Städten keine Fahrgäste habe, bekomme ich kein Geld“, erklärt er. „Meine Kollegen und ich arbeiten auf Provisionsbasis“. Verursacht er einen Unfall oder platzt ein Reifen, werden 30 Prozent der Reparaturkosten von seinem Lohn abgezogen. „Ich fahre einen Bus von Mercedes. Eficiencia alemana! Deutsche Qualität, da geht zum Glück nur sehr selten etwas kaputt“, freut er sich und fügt hinzu: “Auch wenn ich 18 Stunden am Tag fahre, so liebe ich meinen Job bei Flecha Amarilla. Das Arbeitsklima ist weitaus besser als bei den anderen Busunternehmen”.
Rogelio verdient 400 Peso am Tag. Das sind umgerechnet etwa 22 Euro und bei 26 Arbeitstagen 572 Euro im Monat. Weniger als das Durchschnittseinkommen, das in Mexiko bei umgerechnet 650 Euro liegt. Manchmal fährt Rogelio als Ersatzfahrer in einem Bus mit. „Als Ersatzfahrer bin ich allerdings nur von 9 bis 17 Uhr im Einsatz. Ich kann den Abend dann zwar mit meiner Familie verbringen, bekomme aber nur 148 Peso (etwa 8 Euro). Deshalb hoffe ich jeden Monat, so wenig wie möglich als Ersatzfahrer eingeteilt zu werden. Einfluss darauf habe ich leider nicht“.
Rogelio wird auf seinen Fahrten von San Judas Tabeo, dem Schutzheiligen der mexikanischen Busfahrer, begleitet. Das Bild des Heiligen prangt im Großformat am Fenster des Busses. In Mexiko, dem katholischsten aller lateinamerikanischen Länder, sind Devotionalien in Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln allgegenwärtig. An Innenrückspiegeln baumeln kleine Heiligenfiguren, auf den Armaturenbrettern kleben Bilder der Jungfrau von Guadelupe, von Jesus Christus oder eines Schutzheiligen – schließlich gibt es für jeden Berufsstand einen. „Ich habe zu San Judas Tabeo gebetet, um meinen Job zu bekommen“, erklärt Rogelio. „Weil ich den Job bekam, begleitet mich San Judas Tabeo jetzt auf allen Fahrten und beschützt mich“.
Sechs bis sieben Städte fährt Rogelio pro Tag an. Die Strecken wechseln täglich und wiederholen sich nach 45 Tagen. Haupt- und Endstation sind Busbahnhöfe, die am Rand der jeweiligen Städte liegen. Auf den ein- bis dreistündigen Strecken nimmt Rogelio seine Fahrgäste an Haltestellen auf staubigen Landstraßen auf. Er hält aber auch an, wenn jemand ihm auf der Straße entgegenwinkt und mitfahren möchte.
„Es fahren hauptsächlich Arbeiter, Bauern und Studenten mit, die kein eigenes Auto haben. Wer es sich leisten kann, fährt mit einem der hoch klimatisierten Luxusbusse. Gleich zwei dieser Busse fahren dieselbe Strecke“.
Am Busbahnhof von San Miguel de Allende steigt Rogelio aus und steckt sich eine Zigarette an. Er hat 20 Minuten Pause. „Ich rauche viel zu viel um mich wach zu halten. Así es la vida!“ seufzt er. Es ist Mittag. Rogelio hat noch elf Stunden vor sich.
Erschienen im BUSFahrer Magazin (Springer-Fachmedien), Dezember 2013.
Februar 12, 2014 um 7:05 nachmittags
Ich muss feststellen, ich bin eine verweichlichte Europatouristin!
Februar 13, 2014 um 4:31 vormittags
danke schoen für diese reise im bus
Februar 14, 2014 um 12:17 vormittags
It’s all so very pretty! I love the orange alley :)