Winter in Michigan. Seit Tagen schneit es ununterbrochen und wir versinken im Schnee. Daran, diesen wegzuschaufeln, denkt allerdings keiner. Lediglich die Einfahrten werden geräumt … und das mitten in der Nacht!
Lautes Grollen reißt mich aus dem Schlaf, blinkende Lichter huschen wie Schatten über die Wände. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei mit Panzerwagen direkt vor unserem Haus? Ich springe aus dem Bett und schaue aus dem Fenster. Unten stehen zwei riesige Schneepflüge, die festzustecken scheinen. Einer muss von links gekommen sein, der andere von rechts und nun kommen sie nicht aneinander vorbei. Mussten sie gerade vor unserem Haus mitten in der Nacht aufeinanderprallen?
„Warum sind um diese Zeit überhaupt Schneepflüge unterwegs?“ frage ich meinen Lebensgefährten Pat, einen gebürtigen Michigander. „Damit die Straßen am Morgen frei sind!“ antwortet er schlaftrunken. „Aber es ist 2:30 Uhr! Bis um 7 ist sowieso wieder alles zugeschneit!“ schimpfe ich und lege mich wieder hin. Kurz vor 5 reißt mich erneuter Lärm aus dem Schlaf. Dieses Mal sind es nicht die städtischen Schneepflüge, sondern die privaten kleinen der Nachbarn links und rechts von uns, die ihre Einfahrt frei räumen. Es sieht fast so aus, als würden sie ein Wettrennen veranstalten. Die kleinen Schneepflüge ähneln Aufsitzrasenmähern mit Schaufel und machen einen Höllenlärm. Es gibt sie auch als praktische Kombigeräte: im Sommer Rasenmäher, im Winter Schneepflug.
„Do you have a love-hate relationship with your snow plow driver?“ fragt der Cleveland-Blog in unserem Nachbarstaat Ohio. Ja, das haben wir! Im Cleveland-Blog geht es allerdings nicht um die nächtliche Ruhestörung sondern darum, dass die Schneepflüge zwar die Straßen räumen, gleichzeitig am Straßenrand und vor den Einfahrten aber riesige Schneehügel hinterlassen (siehe Foto). Diese wegzuschippen ist dann Sache der Anwohner. Ansonsten bleiben sie eben liegen, bis der Schnee im März schmilzt.
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es keine Schneeräumpflicht auf Gehwegen in Wohngegenden, im Staat des unbegrenzten Schneefalls jedoch sehr viel Schnee, den auf dem Gehweg vor seinem Haus keiner wegschippen will. Hauptsache die Einfahrt ist frei und man kommt mit dem Auto raus. Zu Fuß ist bei diesem Wetter sowieso keiner unterwegs. Außer zum Power Walking und Joggen– und diese beiden Aktivitäten finden im tiefsten Winter eben auf den schneematschigen, aber immerhin vom ärgsten Schnee frei geräumten Straßen statt. Die Autofahrer nehmen Rücksicht, denn schließlich sind sie nach Feierabend selbst eifrige Power Walker und Jogger. Ist man aber nicht als Power Walker, sondern als ganz normaler Fußgänger unterwegs, gibt es ein böses Hupkonzert und ein Fingerzeig in Richtung des zugeschneiten Gehwegs.
„Oh my God, what are you doing?“ rufen mir zwei Power Walkerinnen zu, als sie mich auf dem Gehweg durch den knietiefen Schnee stapfen sehen. „I am taking a walk!“ rufe ich zurück, woraufhin ich ein ungläubiges Kopfschütteln ernte.
“She’s from Germany, doing her Spaziergang”, sagt die eine, die meine Nachbarin ist und ein paar Wörter Deutsch kennt, zu ihrer Freundin. “What’s a Spaziergang?” fragt diese. “Some kind of German power walking, I guess.” “In the snow? Germans must be crazy!”
Februar 1, 2014 at 6:41 nachmittags
wunderbar… it’s my only word in german
Februar 1, 2014 at 10:44 nachmittags
Wieder zurück im Norden und der Winter lässt grüßen, kann ich da nur feststellen ;) Wir kämpfen zurzeit mit Eisregen und spiegelglatten Gehsteigen und Straßen! Jegliche Art der Fortbewegung im Freien ist mit erhöhtem Unfallrisiko verbunden! Grüße aus Mitteleuropa
Februar 20, 2014 at 2:05 nachmittags
schon echt krass, wie ein Winter in Canada verläuft! wobei es dieses Jahr ja besonders heftig war! hoffe die Zehen sind noch nicht abgefroren!?
Februar 20, 2014 at 4:29 nachmittags
Nicht Kanada. Michigan, USA.