Central del Norte

Schon vor Sonnenaufgang herrscht reges Treiben auf Mexikos größtem Busterminal, dem Central de Autobuses del Norte. Vor den Fahrkartenschaltern stehen Frühaufsteher schweigend in Schlangen, die von Minute zu Minute länger werden. Einige gähnen, andere scheinen im Stehen zu schlafen. Unterbrochen wird das Schweigen von ein paar kreischenden Kindern, die sich um ein Spielzeugauto zanken.

Ob es uns gelingt, bei ETN einen frühen Bus nach Guanajuato zu erwischen? Vergeblich hatte ich am Tag zuvor im Hotel versucht, die Tickets auf den Webseiten diverser Busunternehmen zu buchen. Es scheiterte jedes Mal an der Kreditkarte. „Für den Online-Kauf werden aus Sicherheitsgründen ausschließlich mexikanische Kreditkarten akzeptiert“, erfuhr ich später vom Concierge. Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich an der Reihe sind, gibt es nur noch Tickets für die Verbindungen ab dem Nachmittag. Wir versuchen es am Schalter von Primera Plus, haben nach kurzer Wartezeit Glück und bekommen Tickets für den Bus um 9.30 Uhr. Jetzt ist es kurz vor 7.

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In einem der Wartebereiche setzen wir uns an den letzten freien Tisch. Die Stühle sind kalt und unbequem. Vier gelbe Metallstühle, die an einem orangefarbenen Tisch befestigt sind und die man deshalb nicht nach hinten ziehen kann. Keine Bewegungsfreiheit für die Beine. Der Sitz der Stühle besteht aus zehn Metallstäben, zwischen denen gut 3 cm Abstand ist, was es so richtig ungemütlich macht, darauf zu verweilen. An den übrigen Tischen sitzen mexikanische Familien, die über die Weihnachtsfeiertage bei Verwandten in der Hauptstadt waren und nun in ihre Provinzen zurückfahren. Oder Hauptstädter, die Verwandte in anderen Teilen des Landes besuchen. Oder ans Meer fahren. Rund um die Tische stapeln sich monströse Gepäcklawinen aus altersschwachen Koffern, die von Schnüren zusammengehalten werden, Pappkartons in allen Größen, vollgestopfte Plastiktüten und weiße Plastikeimer mit Deckel, die weiß Gott was enthalten. Großfamilien besetzen gleich mehrere Tische. Rings herum wird laut diskutiert, gefrühstückt, Karten gespielt, gelacht, gelesen, gestritten, Männer bohren gelangweilt in der Nase, Teenager ziehen Gesichter und Kinder hüpfen laut krakeelend über die Gepäckstücke.

Direkt vor mir habe ich einen Blick auf den Kiosk der „Loteria Nacional“, der so früh am Morgen schon gut besucht ist. „Le da la suerte“ (er bringt dir das Glück) ist das Logo des Lotteriehäuschens, an dessen Tür ein Riesenposter von Jesus prangt. Daneben reihen sich gleich drei Geldautomaten aneinander. Cash für den Lottoschein?

Aufgrund ihrer hohen Lage von 2310 Metern ist es morgens fast eisig in Mexiko-Stadt. Die Menschen sitzen eingehüllt in dicken Mänteln, Schals und Wollmützen an den Tischen. Nach 20 Minuten halte ich es auf dem unbeweglichen und unbequemen Stuhl nicht mehr aus und stehe auf, um die gigantische Halle zu erkunden, die ganze 100508 m2 misst und über acht Gates mit insgesamt 117 Bussteigen verfügt. Das im Dezember 1973 eingeweihte Terminal Central de Autobuses del Norte ist eines der vier Busterminals in Mexiko-Stadt und das einzige, von dem aus Busse in fast alle Städte und Regionen des Landes fahren – auch in zahlreiche Städte der USA, darunter Austin, Dallas, Houston San Antonio, Chicago und Atlanta.

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Menschenschlangen stehen vor den Schaltern der 35 großen Busunternehmen. Am längsten sind Schlangen vor den Verkaufsstellen der Fahrkarten nach Acapulco. Nur weg aus der winterlichen Kälte der Hauptstadt, wo die Durchschnittstemperatur im Dezember und Januar bei 23 Grad liegt. Für unsereins warm, für die Einheimischen kalt. An den Gates reihen sich die Busse nebeneinander. Fahrer stehen an die Fahrzeuge gelehnt und rauchen. Sobald ein Bus wegfährt, rollt auch schon der nächste heran. Ein Kommen und Gehen von über 2000 Bussen rund um die Uhr. Zwischen der Schalterhalle und den Gates liegt der Bereich mit Läden, Zeitungskiosken, Taco-Ständen, kleinen Supermärkten, Restaurants, Apothekenkiosk und Schuhputzer. An den Wänden sind blinkende Internetzellen angebracht. Alle Plätze davor sind Plätze belegt.

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Pausenlos öffnen sich die hohen Glastüren, bringen neue Passagiere und die kalte Morgenluft herein. Ich gehe zum Tisch und meinem unbequemen Stuhl zurück. Bald ist es Zeit, zum Gate zu gehen. Wie am Flughafen müssen wir durch eine Sicherheitskontrolle. Pats Koffer ist zu groß und passt nicht durch die Öffnung des Röntgengerätes. Macht nichts, er wird samt Koffer durch gewunken. Es muss zack, zack gehen, damit der Bus pünktlich abfahren kann. Nach der Sicherheitskontrolle werden wir am Bussteig abgetastet und das Handgepäck wird nochmals kontrolliert. Erst dann dürfen wir einsteigen.

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