Teotihuacán – wo der Mensch zum Gott wird

Wer diese monumentale Stadt mit Pyramiden, Tempeln und Palästen erbaut hat und wer ihre Einwohner waren ist bis heute nicht bekannt. Als die Azteken die verlassene Ruinenstadt im 14. Jahrhundert vorfanden, sahen sie in ihr einen mythischen Ort und nannten sie Teotihuacán, was übersetzt „dort, wo der Mensch zu Gott wird“ bedeutet. Die Azteken glaubten, dass hier die Welt erschaffen und Götter geboren wurden. Hauptattraktion der UNESCO Welterbestätte ist die Sonnenpyramide, die Lebensenergie verspricht.

Teotihuacán
La Pirámide del Sol - Sonnenpyramide

Der Chac-Mool hat es gut. Er muss die 248 Stufen bis zur Spitze der Pyramide nicht hinaufsteigen. César trägt ihn. Mit angewinkelten Beinen, den Kopf zur Seite geneigt, sitzt er in Césars Händen. Der Chac-Mool ist eine kleine Skulptur, César unser mexikanischer Tourguide. „Wenn ich den Chac-Mool auf das Auge der Pyramide lege und die Götter um Segen bitte, wird er mit göttlicher Energie geladen“, hatte der abergläubische César uns erklärt, als er die kurz zuvor gekaufte Skulptur aus dem Kofferraum riss und mit ihr Richtung Sonnenpyramide davon stürmte.

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Chac-Mool

Als wir endlich die Hälfte der Stufen geschafft haben, steht César schon auf der Spitze. Wie hat es der alte Mann nur geschafft, in so kurzer Zeit oben zu sein, ohne auch nur ein einziges Mal stehen zu bleiben? Die Stufen sind eng und steil. Die Hitze drückt erbarmungslos, die Sonne blendet. Wir schaffen jeweils nur eine der fünf Terrassen ohne Pause. Immer wieder bleiben wir stehen, um die Aussicht zu bewundern. Vor uns liegt das mächtige Cerro-Gordo-Massiv, unter uns die Straße der Toten, links von uns die Mondpyramide.

Dafür hat César kein Verständnis. Ungeduldig winkt er mit dem Chac-Mool zu uns herunter. Wenn er das gute Stück bloß nicht fallen lässt! Als wir oben ankommen, verliert er keine Zeit. Er geht in die Hocke und legt den Chac-Mool auf das Auge der Pyramide. Während er eine Hand unter die Skulptur schiebt, sodass ein Finger das weiß glänzende Pyramidenauge berührt, streckt er den linken Arm mehrmals in den Himmel und beschwört den Sonnengott, die Skulptur mit Energie zu laden. Zuletzt bittet er um Energie für sich selbst. Die scheint er zu bekommen, denn in weniger als fünf Minuten ist der alte Kettenraucher samt meines Chak-Mools schon wieder am Fuß der Pyramide.

César bei seinem Ritual auf dem Auge der Pyramide.

Die heutige Ruinenstätte Teotihuacán war zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert mit 200.000 Einwohnern die größte Stadt Amerikas und eine der größten Städte der Welt. Der Name des Volkes, das das Tal um 100 vor Chr. besiedelte, ist nicht bekannt. Auch ist nicht bekannt, warum sie das Tal um 750 n. Chr. wieder verließen.

Teotihuacán
Mondpyramide

„Dieses Volk entstand aus dem Nichts, beherrschte zwischen 350 und 650 den gesamten Kontinent und verschwand wieder ins Nichts. Ich bin mir sicher, sie verließen das Tal, weil es kein Wasser mehr gab“, sagt César. Archäologen nehmen an, dass die Bewohner die wichtigsten Gebäude im Zentrum in einem rituellen Akt niederbrannten, bevor sie verschwanden.

Die Sonnenpyramide, die um 100 nach Chr. errichtet wurde, liegt im Zentrum des Tals. Archäologen haben berechnet, dass 2000 Männer etwa 20 Jahre lang an der Pyramide gearbeitet haben. Mit einer Seitenlänge von 225 Metern, 65 Metern Höhe und einem Volumen von einer Million Kubikmetern ist sie das zweitgrößte Bauwerk im vorspanischen Mittelamerika und die drittgrößte Pyramide der Welt. César widerspricht. „Zumindest von der Größe her ist sie die größte Pyramide der Welt!“ Zur Zeit der Azteken thronte auf der obersten Terrasse der Pyramide ein Tempel, der dem Sonnengott geweiht war. „Am 21. März kommen wir zu Tausenden auf die Pyramide, um den Frühlingsanfang zu begrüßen“, erzählt César. „Ein herrliches Spektakel, das ihr einmal erleben solltet“, fügt er hinzu.

Teotihuacán

Zwei Mal im Jahr steht die Sonne am Mittag genau über dem höchsten Punkt der Pyramide, am 19. Mai und am 25. Juli. „Wer da seine Hand auf das Auge der Pyramide drückt, wird mit enormer Lebensenergie aufgeladen, die das ganze Jahr über anhält“, sagt César. Ob der alte Mann die 248 Stufen deshalb mit solcher Leichtigkeit erklimmt?

Am Fuße der Sonnenpyramide preisen Straßenverkäufer ihre Waren an.

INFO

Teotihuacán liegt 53 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt. Ab dem Busbahnhof Central del Norte fahren ca. alle 15 Minuten Busse dorthin (Richtung Los Pirámides). Der letzte Bus fährt um 18 Uhr von Teotihuacán nach Mexiko-Stadt zurück. Von der Bushaltestelle in Teotihuacán ist es noch ein kleiner Fußmarsch bis zu den Pyramiden.

Tipp: Viele Hotels arrangieren Privattouren mit Fahrer und Tourguide, die umgerechnet etwa 50 Euro kosten und wesentlich bequemer sind.

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Um UNESCO Welterbestätten zu besuchen, muss man übrigens nicht weit reisen, denn das UNESCO Welterbe Deutschland ist nicht weit.

UNESCO Welterbe Deutschland.

2 Gedanken zu „Teotihuacán – wo der Mensch zum Gott wird

  1. Cornelia:

    Ich habe Teotihuacán sieben Mal besucht, die Stadt ist fantastisch! Wie du gesagt hast, man muß fit sein, um die Sonnenpyramide zu besteigen! Danke für den Artikel und die Fotos.

    John

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